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Samstag, 31. August 2013

Standpunkt der Liste "WeinheimPlus" zur Bürgerbeteiligung Breitwiesen

“Manipulierte Bürgernähe”

Weinheim, 19. Juli 2012. (red/pm) Die Initiative “Weinheim Plus” kritisiert, dass die Bürgerbeteiligung in Sachen Breitwiesen hinter geschlossenen Türen stattfindet. Wir dokumentieren den Standpuntk der Gemeinderatsliste WeinheimPlus.

“Am Freitag dieser Woche ist es soweit, das „Wuppertaler Forschungexperiment Bürger-Dialog“ nähert sich ihrem vorläufigen – (un)demokratischen – Höhepunkt: In mit drei Stunden langer Sitzung werden einem erlauchten – im wesentlichen aus Verwaltungspersonen und dem Gemeinderat bestehenden Kreis – die Ergebnisse der bislang der Öffentlichkeit geheimen Diskussionen genauso öffentlich geheimer Bürgerräte vorgestellt. Die Öffentlichkeit einschließlich der Presse können dann in anschließenden 90 Minuten das so noch einmal durchgefilterte „Bürgerbeteiligungsforschungsergebnis“ zur Kenntnis nehmen.

WeinheimPlus protestiert entschieden gegen eine Bürgerbeteiligung, die hinter geschlossenen Türen ohne die Bürgerinnen und Bürger Weinheims stattfindet.

Über die zukünftige Nutzung der Flächen „Breitwiesen“ und „Hammelsbrunnen“ kann man mit durchaus unterschiedlichen und sich jeweils hörenden Meinungen diskutieren. Die Diskussion darüber hat im Gemeinderat und insbesondere in der Bürgerschaft stattgefunden. Die Bürgerinnen und Bürger von Weinheim haben gestützt durch eine Bürgerinitiative ihrer unzweifelhaft verbrieften gesetzlichen Rechte auf Bürgerbeteiligung wahrgenommen. Das notwendige Stimmenquorum zur Herbeiführung eines Bürgerentscheides oder eben eines dem Bürgerbegehren stattgebenden Beschlusses des Gemeinderates sogar deutlich übertroffen.

Nach bekannt gewordenen Geheimabsprachen außerhalb der Gemeinderates zwischen Verwaltungsspitze und den Fraktionssprechern von CDU und SPD hat sich zur Vermeidung eines drohenden Ablehnungsbeschlusses die Mehrheit des Gemeinderates  auf das vom Oberbürgermeister eben zur Abwehr des Bürgerbegehrens aus dem Hut gezauberte „Projekt Bürgerrat Weinheim“ einlassen müssen.

Die breiten – auch auf der Straße – durchaus lebhaft in der Bürgerschaft geführten Diskussionen, wurden so in gesteuerte Zirkel für die Öffentlichkeit anonymer Bürgerräte und nach welchen unklaren ( Zufalls?)kriterien auch immer ausgewählter Fachreferenten kanalisiert.

WeinheimPlus lehnt die „Wuppertaler Geheimdemokratie“ ab. Öffentliche, einem Bürgerbegehren zugängliche Anliegen bedürfen keinen „geschützten Raum“, in dem nach den Worten des Einladungsschreibens zum Dialogforum nicht öffentlich, was will heißen geheim „offen miteinander“ diskutiert werden soll. Dies nennt WeinheimPlus manipulierte Bürgernähe: dem Bürger wird durch dieses nichtöffentliche Dialogforum die versprochene, transparente öffentliche Diskussionsbeteilung gerade wieder entzogen.

Fazit: Wenig Demokratie für viel Zeit und noch mehr Geld.

Die „Wuppertaler Bürgerräte“ sind keine von den Bürgerinnen und Bürgern legitimierte demokratische Institution. Die Bürger haben ihr gesetzlich verbrieftes demokratisches Recht auf ein Bürgerbegehren wahrgenommen. Dieses ist jetzt durchzuführen.”

Öffentliche Auftakt-Veranstaltung am 19. Juli – Bürger von Anfang an einbinden

Klimaschutzkonzept am Start

Weinheim, 05. Juli 2012. (red/pm) Klimaschutz rückt zunehmend in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Viele Maßnahmen zur Verminderung des CO2-Ausstoßes, allem voran die Gewinnung erneuerbarer Energien, können oft nur auf lokaler Ebene erfolgen.

Information der Stadt Weinheim:

“Die Stadt Weinheim wird ihre künftigen Klimaschutzziele in einem Klimaschutzkonzept definieren. Zur Verringerung des CO2-Ausstoßes werden in einem ersten Schritt Handlungsfelder und Einzelmaßnahmen definiert, die nach ihrer ökologischen Effizienz und ihrer Wirtschaftlichkeit bewertet und in einer Prioritätenliste zusammengefasst werden.

„In diesen Prozess sollen alle relevanten regionalen Akteure sowie alle am Klimaschutz interessierten Bürgerinnen und Bürger frühzeitig eingebunden werden“, verspricht Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner. Bei der Bürgerbeteiligung können sich auch neue Interessierte einbringen, nicht nur die bereits schon bürgerschaftlich engagierten Teilnehmer des Runden Tisch Energie.

Der Runde Tisch wird eingangs der Veranstaltung seine Aktivitäten präsentieren. So sind alle Interessierten eingeladen zur  Auftaktveranstaltung  „Klimaschutzkonzept der Stadt Weinheim“ am 19. Juli ab 18 Uhr im Alten Rathaus am Marktplatz.

Während dieser Auftaktveranstaltung informieren das Energieteam der Stadt und die beauftragte Firma EEB Enerko über das Projekt, die anvisierten Ziele und die geplanten Arbeitsschritte. Das Klimaschutzkonzept wird von der Enerko erarbeitet, die bereits für andere Städte solche Konzepte erstellt hat.

Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Dr. Fetzner und der Vorstellung des Runden Tisch Energie wird die Enerko Zeitplan, Inhalt, Akteursbeteiligung und die nächsten Schritte zum Klimagutachten vorstellen. Eine Diskussion schließt sich an. Ende der Veranstaltung ist gegen 20 Uhr. Damit die Stadt als Organisator des Abends besser planen kann, ist eine kurze Anmeldung per Mail an [email protected] oder Telefon 06201-82 324 sinnvoll.”

Breitwiesen: Verfahrenes Verfahren

Gegenseitige Beschuldigungen

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Die Bürgerinitiative bei der Übergabe von mehr als 5.000 Überschriften im November 2011. Ganz links: OB Bernhard, Mitte: Fritz Pfrang.

 

Weinheim, 14. Juni 2012. (red) Zwischen dem Moderator des Bürgerbeteiligungsverfahrens Breitwiesen und der Bürgerinitiative knirscht es ordentlich. Uns vorliegende Äußerungen von beiden Seiten zeigen, dass das weitere Verfahren unter keinem guten Stern steht. Beide Seiten beschuldigen sich, sich nicht an “Regeln” zu halten.

Von Hardy Prothmann

Die Bürgerinitiative “Schützt die Weinheimer Breitwiesen” (BI) übt harsche Kritik an dem Wuppertaler Professor Hans. J. Lietzmann. Selbstherrlich sei er, außerdem müsse seine Unabhängigkeit in Frage gestellt werden, da er für das Bürgerforum keine Experten der BI berücksichtigt habe. Die Auswahl sei damit einseitig und willkürlich und das weitere Verfahren fragwürdig.

Widersprüchliche Auskünfte

Nach Angaben der BI wurden fünf Experten vorgeschlagen, jedoch keiner durch den Professor berücksichtigt. Dieser wiederum behauptet, die Meldung sei durch die BI zu spät erfolgt und außerdem habe sich Fritz Pfrang als Sprecher der BI ausgegeben und Vorschläge unterbreitet, die auch berücksichtigt worden seien.

Herr Pfrang widerspricht dem und teilte uns mit, dass er klar als Sprecher des Bauernverbands und nicht als Vertreter der BI Vorschläge gemacht habe:

Im Protokoll des Dialogforums war ich als Vertreter des Bauernverbandes benannt. Beim Verschicken der Liste des Bauernverbandes habe ich diese nicht unter Bauernverband sondern nur unter meinem Namen gesendet und unterschrieben ( “Mit freundlichen Grüssen aus Weinheim Fritz Pfrang”). Diese Liste habe ich (…) am 28.05. um 22.42 Uhr nach Wuppertal geschickt. (…) Ich habe bereits am 01.06. im Schreiben an Frau Ehlers klargestellt, dass die von mir abgeschickte Liste die des Bauernverbandes war, nachdem Iris Großhans und ich am 31.05. eine Einladung aus Wuppertal bekommen hatten. Da die Landfrauen keine eigene Liste geschickt hatten, habe ich insgesamt 5 Kandidaten benannt von denen – nach heutiger Rückfrage – nur Iris Großhans und ich eingeladen wurden.

Ingrid Hagenbruch, Rechtswältin und eine der BI-Sprecherinnen, widerspricht ebenfalls und teilte uns mit, die Experten seien fristgerecht bis 29. Mai beim Professor angemeldet worden. Seitdem habe man nichts mehr gehört. Herr Lietzmann stellt es hingegen so dar(Anm. d. Red.: Der Auszug wird mit allen Fehlern wie im Original abgebildet):

Eine weitere Liste ist uns von Frau Hagenbruch (1.) nach Ablauf der verabredeten Zeit und damit auch nach unserer Auswahlsitzung, also in jeder Hinsicht zu spät, zugesandt worden. Diese Liste stand (2.) unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer noch ausstehenden Zustimmung der BI zu dieser Liste. Aus beiden Gründen haben wir von dieser Liste niemanden mehr benennen können, weil wir das Beteiligungsverfahren für die Bürgerschaft der Stadt Weinheim und nicht alein für die BI zu sichern haben.

Eine weitere BI-Sprecherin, die Grünen-Stadträtin Elisabeth Kramer, informierte uns, dass dem Professor offensichtlich der Überblick fehle:

Es gibt die BI, es gibt den Bauernverband, es gibt die Landfrauen und den BUND. Jede dieser vier Interessensgruppen war eigenständig beim Dialogforum vertreten, jede hat nach Aufforderung unterschiedliche ExpertInnen benannt. Da Fritz Pfrang vom Bauernverband, Iris Großhans von den Landfrauen und Gerhard Röhner vom BUND vorgeschlagen wurden, dürfen wir uns schon wundern, dass in deren Einladungen jeweils stand, sie wären von der BI vorgeschlagen.

Aggressiver Ton

Tatsächlich bestätigt sich dieser Eindruck durch eine email des Professors (Anm. d. Red.: Der Auszug wird mit allen Fehlern wie im Original abgebildet):

es ist doch schon ein bischen kompliziert, denn vermutlich ist fast jedes Mitglied der BI im “Hauptberuf” noch irgendwo anders engagiert. So wie Sie sich vermutlich nicht als Expertin der BI, sondern als Expertin der “Grünen” oder des Stadtrates bezeichnen könnten … Hauptberufliche BI’ler gibt es wohl auch kaum. Als expertin wären sie wohl auch nicht sofort einschlägig; da ist eben auch und gerade ihre fachliche Kompertenz (nicht alleine[!] ihr politisches Engagement) gefragt.

Der Professor bezeichnet die unterschiedlichen Engagements auf unsere Nachfrage als “Versteckspiel” und er wisse nicht, was dieses solle:

Wenn die BI sich intern nicht einig ist, so mag das sein. Das kommt häufig vor. Sie soll aber bitte uns und auch die Weinheimer Bürger da raushalten!

Weiter bewertet der Professor den Vorgang als “übertriebene Aufregung”:

Die BI und ihre Meinung zu den Breitwiesen ist auf diese Weise im Bürgerbeteiligungsverfahren mit vielen Experten, die unseres Wissen auch Mitglied der BI sind und ihr zumindest sehr nahe stehen, bestens vertreten.

Die BI sieht das komplett anders. Mittlerweile überlegt man dort, sich aus dem Verfahren zurückzuziehen und die Umsetzung des Bürgerentscheids einzuklagen:

Die Bürgerinnen und Bürger, die unterzeichnet haben, verlieren langsam aber sicher die Geduld.

Diffamierungen?

Der Professor verteidigt derweil das intransparente Verfahren. Angeblich soll ja eine breite öffentliche Auseinandersetzung stattfinden. Allerdings ist diese in vielerlei Hinsicht intransparent. So werden die “ausgewählten” Experten beispielsweise nicht öffentlich genannt. Die Begründung des Professors:

Dass wir die Namen der im Einzelnen benannten Experten nicht bereits im Vorfeld des Verfahrens nennen, haben wir mehrfach begründet. Es hat sehr gute Gründe einer strikten Fairness und Unvoreingenommenheit des Verfahrens und des Schutzes dieser fachlichen Expertise. Die derzeitige emotionalisierte Diskussion sowie die verletzende und zum Teil diffamierende Debatte macht uns in dieser Meinung sicherer als je zuvor.

Der Ton von Herrn Lietzmann lässt Zweifeln, ob eine unabhängige und souveräne Moderation dieser Bürgerbeteiligung durch ihn noch gewährleistet ist. Wer Teilnehmern eine “verletzende und diffamierende Debatte” unterstellt, ist wohl kaum in der Lage, eine “unabhängige Meinung” zu haben. Ganz im Gegenteil ist sich der Professor “sicherer als je zuvor”, dass er es mit “unseriösen” Leuten zu tun hat.

Gleichzeitig will er ein Kunststück vollführen, dass nicht funktionieren kann: Einen transparenten Dialogprozess voranbringen bei gleichzeitig intransparenten Entscheidungen. Ob die 40.000 Euro Steuergelder, die die Stadt ausgibt, hier gut “investiert” sind, ist ebenfalls fraglich.

Klageweg die Lösung?

BI meint, Professor Lietzmann habe den Überblick verloren oder nie einen gehabt.

Recht hat der Professor, dass es sicherlich nicht nur um die Postion der BI gehen kann. Das behauptet die BI aber überhaupt nicht – sie fordert nur eigene Experten, die der Professor aber nicht zulässt. Dabei betont er, die BI habe sich nicht an Fristen gehalten. In einem Kommentar hier auf dem Blog schreibt der Professor:

Ich glaube auch nicht, dass es mich oder die Forschungsstelle Bürgerbeteiligung “diskreditiert”, wenn wir Fragen und gerichtsähnliche Terminsetzungen als “eher albern” bezeichnen.

Fristen von anderen findet er “albern”, seine eigenen “zwingend”. Kein Wunder, dass manche den Eindruck haben, der Professor agiere selbstherrlich und nicht nachvollziehbar. Und da er selbst eingesteht, dass Bürgerinitiativen oft nicht sehr gut organisiert sind, sollte man meinen können, dass er dies wohlwollend berücksichtigt, was er aber offensichtlich nicht tut.

Bei diesen auf beiden Seiten harschen Positionierungen ist ein vernünftiger Fortgang des Verfahrens nicht mehr zu erwarten. Deshalb ist es vermutlich besser, wenn die BI den Klageweg beschreitet – dann entscheidet ein Gericht. Nach Recht und Gesetz und nicht nach Willkür und gegenseitigen Vorwürfen.

Das Bürgerforum ist eine Nebelkerze

Geld- und Zeitverschwendung

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Weinheim, 15. Mai 2012. (red) Gut 40.000 Euro wird die “Bürgerbeteiligung” in Sachen Breitwiesen kosten. Hinzu kommen bestimmt gut 10.000 Euro Kosten für die ersten anwaltlichen “Gutachten” der Stadt. Weitere Kosten können entstehen. Warum wird so viel Aufwand betrieben, wenn es bereits ein nach der Gemeindeordnung zulässiges Bürgerbegehren gibt? Man muss vermuten, dass OB Bernhard seine Haltung durchsetzen will – die Bürgerbeteiligung dient nur der Verschleierung.

Kommentar: Hardy Prothmann

Oberbürgermeister Heiner Bernhard hat schon mehrfach betont, dass er erstaunt über die Bürgeriniative sei, denn  immerhin habe es seit 2007 keinen Widerstand gegen den geplanten Tausch Hammelsbrunnen/Breitwiesen gegeben.

Er gibt sich überrascht – tatsächlich ist das Verhalten scheinheilig. Es gab keine konkreten Entwicklungen – wogegen hätte sich ein Widerstand formieren sollen? Als es im Herbst 2011 konkret wurde, hat die BI sofort an die 2.000 Unterschriften gesammelt, was den OB nicht weiter beeindruckt hat.

Fortgesetzte Nötigung

Im Eilverfahren hat OB Bernhard den Gemeinderat nahezu genötigt, für den Flächentausch zu stimmen. Die Pistole saß auf der Brust der ehrenamtlichen Stadträte, war durchgeladen, der Abzug gespannt: Entweder, ihr stimmt jetzt zu oder nicht. Eine Alternative gibt es nicht.

Und gleichzeitig hat er öffentlich gelogen: Es ist noch nichts entschieden, sagte er laut und deutlich.

Nach dem Tauschbeschluss war aber doch etwas entschieden – nämlich ein Aufstellungsbeschluss. Und gegen den sei ein Bürgerbegehren, leider, leider, nicht möglich.

Wer so mit seinem Bürgerinnen und Bürgern umgeht, steht nicht im Dialog mit ihnen, sonst nimmt sie den Arm, verschaukelt und verachtet sie.

Verschleuderte Steuergelder

Verschleudert mal eben 50.000 Euro und mehr für eine Bürgerbeteiligung, die nur er braucht: OB Bernhard.

Die Stadt muss überall sparen. Monatelang wird über 100.000 Euro für ein Personalgutachten diskutiert. Und innerhalb kürzester Zeit verbrät der OB eben mal 50.000 Euro, weil Bürgerinnen und Bürger tatsächlich die hohen Hürden für ein Bürgerbegehren deutlich überwunden haben und die Pläne nun nicht mehr so laufen, wie der OB sich das vorgestellt hat.

Das als “demokratische” Bürgerbeteiligung dargestellte Verfahren wird hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Die Besetzung weist ein eindeutiges Ungleichgewicht zugusten der Pro-Breitwiesen-Lobby auf, umgekehrt werden Teilnehmer wie BUND und Nabu “zusammengefasst”.

Mit den Mitgliedern der BI Breitwiesen gab es keine Gespräche. Wieso nicht? Weil der, der zahlt, sagt, wos langgeht.

Wenn die BI nicht am Forum teilnimmt, wird der Vorwurf lauten: Die da sind nicht gesprächsbereit. Damit werden sie diskreditiert. Wenn die BI teilnimmt, muss sie sich einem nicht durchsichtigen Verfahren beugen. Das nennt der alte Grieche ganz klassisch ein Dilemma – wie man sich auch entscheidet, macht man es falsch.

Über den Tisch gezogen

Ein Oberbürgermeister, der seine Bürgerinnen und Bürger derart “miss”handelt, kann das tun. Er hat dazu die Macht – vor allem, wenn der Gemeinderat schwach ist. Im Gemeinderat gibt es aber mittlerweile parteiübergreifend Stimmen, die zwar eigentlich für Breitwiesen sind, aber das Verfahren und die Entwicklung ebenfalls ablehnen.

Festzuhalten bleibt, dass der Weinheimer Gemeinderat sich schon zwei Mal hat über den Tisch ziehen lassen. Das erste Mal bei der Tauschentscheidung und das zweite Mal mit dem Beschluss, die Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu vertagen.

Hält der OB die Bürger wirklich für so blöd? Auch mit diesem mehr als zweifelhaften Verfahren der “Bürgerbeteiligung” ändert sich überhaupt nichts an der Sachlage. Wozu dient der ganze Zauber dann? Doch nur, das Stimmungsbild zu drehen.

Wenn im September nach der bürgermeistergesteuerten “Bürgerbeteiligung” die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerentscheids erneut auf der Tagesordnung steht, ist es immer noch ein Bürgerbegehren gegen einen Aufstellungsbeschluss. Und sollte der Gemeinderat trotzdem für einen Bürgerentscheid entscheiden, müsste der OB nach seinem “Gewissen” wie angekündigt, sein Veto gegen den Beschluss einlegen. Bürgerbeteiligung hin, Bürgerbeteiligung her.

Prinzip Dilemma

Das Verfahren würde in einem Gerichtsverfahren enden. Die strittige Frage würde sein, ob der Aufstellungsbeschluss in einem Raumordnungsverfahren gleichzusetzen ist mit einem Aufstellungsbeschluss einer Bauleitplanung.

Oberbürgermeister Heiner Bernhard bringt nicht nur den Gemeinderat und die Bürgerinitiative in ein Dilemma, sondern auch sich selbst. Wäre er tatsächlich ein bürgernahes Stadtoberhaupt, hätte er bereits im Frühjahr 2011 deutlich machen können, dass für den Herbst eine weitreichende Entscheidung ansteht. Und zwar deutlich und transparent. Er hätte Informationsveranstaltungen anbieten können, die nur einen Bruchteil dessen gekostet hätten, was er jetzt dem Steuerzahler aufbürdet. Nur so macht eine Bürgerbeteiligung sind: Im Vorfeld von Entscheidungen.

Und die Bürgerinnen und Bürger hätten vor dem Aufstellungsbeschluss ein Bürgerbegehren initieren können, das wäre alles möglich und rechtlich einwandfrei gewesen.

Hätte, würde, könnte, sollte – das sind nur noch Überlegungen. Aktuell veräppelt der OB die Bürgerinnen und Bürger und was richtig ärgerlich ist, er beschädigt damit auch echte Formen der Bürgerbeteiligung, weil durch das jetzt anstehende Verfahren beim Bürger am Ende der Eindruck entstehen kann, dass “die da” in der Verwaltung sowieso machen, was sie wollen. Vielleicht will er ja auch genau das erreichen. Dann ist Ruhe bei der renitenten Bürgerschaft und der OB kann machen, was er will.

Beschädigte Bürgerbeteiligung

Wieso soll erst wieder im Herbst entschieden werden? Ganz klar, um das Verfahren in die Länge zu ziehen und Widerstände zeitlich weich zu klopfen. Der Gemeinderat könnte auch sehr gut im Juni oder Juli entscheiden. Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun.

Die BI überlegt ernsthaft, den Klageweg zu beschreiten. Und sie würde gut daran tun, denn die daraus entstehende Rechtssicherheit ist allemal konkreter, als der Firlefanz, der jetzt veranstaltet wird.

Gleichwohl besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Gerichte zu dem Schluss kommen, auch dieser Vorgang sei Bauleitplanung und ein Bürgerbegehren nach der Gemeindeordnung deswegen nicht erlaubt.

Dann darf sich der OB Bernhard damit schmücken, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung ganz entscheidend durch sein Verhalten noch weiter beschädigt und eingeschränkt zu haben – und zwar landesweit. Er würde in die Geschichte eingehen – als bürgerferner Hauruck-OB.

 

 

Kommunalrechtsexperte Professor Geitmann im Interview

Dossier Breitwiesen: “Bürgerentscheide sollten etwas ganz Normales sein”

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Weinheim, 20. März 2012. (red) Der Kommunalrechtsexperte Roland Geitmann (70) erklärt im Exklusiv-Interview mit dem Weinheimblog, warum Bürgerentscheide viel häufiger als Mittel direkter Demokratie genutzt werden sollten. Er hat sich mit dem Fall “Breitwiesen” befasst – versteht die Standpunkte beider Seiten und schlägt eine umfassende Bürgerbeteiligung vor. Danach sollen die Bürger aber per Bürgerentscheid in der Sache entscheiden.

Interview: Hardy Prothmann

Herr Professor Geitmann, warum tun sich Kommunalpolitiker so schwer mit Bürgerentscheiden?

Roland Geitmann: Macht abzugeben fällt manchen schwer. Dazu kommen bürgerunfreundliche gesetzliche Regelungen.

Verbindliche Mitentscheidung ist quasi ausgeschlossen

Erläutern Sie das bitte.

Geitmann: Die Gemeindeordnung Baden-Württemberg schließt Bürgerentscheide über Bauleitpläne aus und enthält eine Sechs-Wochen-Frist für Bürgerbegehren, die sich gegen Gemeinderatsbeschlüsse richten. Beides gibt es in Bayern beispielsweise nicht. Dort sind Bürgerentscheide deshalb auch viel häufiger zu finden. Mit der Bauleitplanung ist ein zentraler Gestaltungsbereich der Kommune von verbindlicher Mitentscheidung ausgeschlossen.

Roland Geitmann ist einer der renommiertesten Kommunalrechtsexperten in Baden-Württemberg. Foto: privat

Was ist die Konsequenz?

Geitmann: Der Flächenfraß krassiert. Man muss kein „Öko“ sein, um zu verstehen, dass diese Entwicklung nicht so weitergehen kann. Wenn Bürgerbegehren dagegen nicht möglich sind, fehlt ein wichtiges Instrument der Eindämmung.

Moment – auch die frühere CDU-Regierung hatte doch betont, sie wolle den Flächenfraß begrenzen. Hatte man Kreide gefressen?

Geitmann: Das kann man so deuten. Diese Haltung wurde immer behauptet – konsequent umgesetzt wurde sie nicht.

Zurück zum Bürgerentscheid über Bauleitplanungen. Es heißt immer, diese Fragen seien zu komplex, um vom Bürger mit Ja oder Nein beantwortet zu werden. Können Sie diesem Argument folgen?

Das “Ob” kann man mit Ja oder Nein entscheiden

Geitmann: Nur eingeschränkt. Die sieben Bundesländer, die Bauleitpläne nicht ausschließen, zeigen, dass es anders geht. Es geht ja auch überhaupt nicht darum, dass die Bürger komplexe Planungsaufgaben übernehmen, sondern dass sie eine Planung einstweilen stoppen können, also um das „Ob“. Und das lässt sich sehr wohl mit Ja oder Nein beantworten.

Und was, wenn der Bürger gegen alles ist?

Geitmann: Ein Bürgerentscheid gilt ja nicht für alle Zeiten, sondern für drei Jahre. Und engagierte Bürger sind nicht gegen alles – sie bilden sich differenziert ihre Meinung. Sie wägen Chancen und Risiken ab.

Bürgerentscheide bieten Tiefe

Drehen wir den Spieß mal um: Haben Sie den Eindruck, dass Gemeinderatsmitglieder immer so gut informiert sind, dass sie „komplexe Fragen“ entscheiden können?

Geitmann: Das hängt sicher von der einzelnen Person ab. Langjährige Erfahrung bringt sicher Kompetenz mit sich. Gelegentliche Bürgerentscheide können dabei helfen.

Spannend – wie das?

Geitmann: Die allermeisten Entscheidungen werden ohne die Bürger getroffen. Kommt nun ein Bürgerentscheid, muss man sich als Gemeinderat zwangsläufig tiefer und eingehender mit dem Fall befassen. Dabei lernen natürlich auch Gemeinderäte sehr viel. Ebenso die engagierten Bürger. Unterm Strich ist das für alle Beteiligten sehr positiv zu werten.

Das klingt doch toll. Was ist das Problem?

Geitmann: Nun, viele Gemeinderäte sehen sich durch eine Entscheidungsübertragung ans Volk in ihren Kompetenzen beschnitten. Ebenso Bürgermeister, die fürchten, ihre eigenen Zielsetzungen könnten gefährdet werden. Außerdem sind Bürgerentscheide teuer.

Das Volk als Souverän? Theoretisch ja, praktisch nein

Aber der Souverän ist doch das Volk oder habe ich das Grundgesetz falsch verstanden?

Geitmann: Das haben Sie schon richtig verstanden; Demokratie gibt’s halt nicht kostenlos. Bürgerentscheide sollten etwas ganz Normales sein und wären es, wenn Gemeinderäte vom Ratsreferendum mehr Gebrauch machten. Doch dafür ist die gesetzliche Hürde mit einer Zwei- Drittel-Mehrheit leider noch sehr hoch.

Sie stehen mit Ihrer Arbeit für mehr Bürgerbeteiligung. Warum?

Geitmann: Alle fünf Jahre durch Wahl die eigenen Vormünder in ihrem Amt zu bestätigen reicht nicht. Die Menschen erleben sich nur dann als Subjekt des Geschehens und nicht nur als Zuschauer, wenn sie gelegentlich auch über eine wichtige Sachfrage selbst entscheiden können. Nur wenn dieses Letztentscheidungsrecht durch faire Verfahrensregeln und entsprechende Praxis gewährleistet ist, werden alle anderen Formen der rechtlich unverbindlichen Beteiligung – von Anhörung und Bürgerrat bis zu Foren und Zukunftswerkstatt – intensiv und ernsthaft genutzt.

Es werden immer wieder Bedenken geäußert, dass Bürgerentscheide negative Folgen haben können. Lässt sich das wissenschaftlich belegen?

Geitmann: In Bayern gab es mal einen Fall, da wurde ein Museumsbau verhindert, der die Attraktivität der Gemeinde gesteigert hätte.

Es geht bei Bürgerbeteiligung um den Input, nicht den Output

Warum haben die Bürger so reagiert?

Geitmann: Nun, es gibt sicherlich beim Bürger gewisse „Beharrungstendenzen“ – man möchte, dass alles so bleibt, wie man es kennt. Das ist menschlich nachvollziehbar. Viele Bürger sind sehr vorsichtig, was auch positiv ist.

Erläutern Sie das bitte.

Geitmann: Untersuchungen in Schweizer Kantonen haben ergeben, dass die Bürger sehr genau auf die Finanzen schauen. Sie interessieren sich sehr genau, was mit öffentlichen Geldern passiert, schauen oft genauer hin als Amts- und Mandatsträger und sorgen auf diese Weise für geringere Verschuldung und solideres Finanzgebaren…

Das ist doch aber positiv. Dann sollte man den Bürger ja noch umso mehr beteiligen.

Geitmann: Ganz sicher ist dieser Aspekt positiv. Direkte Demokratie garantiert aber nicht ein besseres Ergebnis. Die Bürgerschaft hat auch das Recht, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Es geht bei Bürgerbeteiligung mehr um den Input, also die Mitwirkung, als den Output, also das Ergebnis.

Seit Stuttgart 21 ist die Welt anders

Ich denke bei den „Vormündern“ mal an die Verwaltungsbeamten. Sie kennen diese Klientel als Professor und bilden sie mit aus. Könnte es sein, dass diese Leute eher strukturkonservativ sind und „Bürgerbeteiligung“ ihnen suspekt ist?

Geitmann: Wenn wir zwei Studiengänge für den öffentlichen Dienst vergleichen, etwa die Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl und eine sozialpädagogische Hochschule, dann würde man bei uns in Kehl in der Tat eine eher konservative Haltung feststellen. Doch ändert sich da derzeit manches. Die Vorteile bürgerschaftlicher Partizipation werden zunehmend wahrgenommen und sind Gegenstand des Lehrbetriebs. Spätestens seit Stuttgart 21 ist diese Welt sowieso nicht mehr, wie sie mal war.

Wie meinen Sie das?

Geitmann: Durch den Widerstand gegen Stuttgart 21 sind überall die Warnlampen angegangen. Die kritischen Bürger und ihr Engagement haben einen tiefgreifenden Wandel in Gang gebracht. Das ist vielleicht noch nicht jedem wirklich bewusst, aber es ist unumkehrbar. Die Bürger wollen mitentscheiden und die Politik wird dies berücksichtigen müssen. Sonst wird sie abgewählt, wie in Baden-Württemberg geschehen.

In Weinheim hat OB Bernhard seine Haltung durch juristische Gutachten und eine Verwaltungsvorlage, das Bürgerbegehren abzulehnen, quasi zementiert. Kann er eigentlich noch zu einer anderen Haltung finden?

Geitmann: Die Lage ist offensichtlich so, dass nicht wirklich klar ist, ob das Bürgerbegehren zulässig ist oder nicht. Die Haltung beider Seiten ist nachvollziehbar. Ich kann mir vorstellen, dass einzelne Unterzeichner des Bürgerbegehrens auf der Basis ihres fundierten Gutachtens gegen eine Nichtzulassung Rechtsschutz suchen, das Verfahren aber einstweilen ruhen lassen, um die von der Verwaltung vorgeschlagene Bürgerbeteiligung und deren Ergebnisse und Auswirkungen abzuwarten. Wenn der Gemeinderat wirklich ergebnisoffen bleibt, könnte die Kombination von Bürgerentscheid und vorgeschalteter Moderation durch Bürgerrat und Forum durchaus ein guter Weg werden, der sogar Schule macht.

Zur Person:

Der Jurist Roland Geitmann gilt als einer der profiliertesten Experten in Sachen direkter Demokratie. Er schlug zunächst eine Verwaltungskarriere ein und war 1973/74 Oberregierungsrat beim Regierungspräsidium Tübingen, bevor er von 1974 bis 1982 Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Schramberg und dann auch Mitglied des Kreistags des Landkreises Rottweil war. Von 1983 bis 2006 war er Professor an der HS Kehl, wo er bis heute einen Lehrauftrag hat.

Geitmann ist Fachmann für Verwaltungsrecht und Kommunalverfassungsrecht. Seine Forschungsgebiete sind Sozialgestaltung, Demokratieentwicklung und Fragen gerechter Wirtschaftsordnung.
Er war Sprecher des Kuratoriums von Mehr Demokratie e.V. sowie verantwortlicher Herausgeber der Schriftenreihe der Arbeitsgruppe Gerechte Wirtschaftsordnung.

Warum die Angst der Politiker vorm Volk Nonsens ist

Dossier Breitwiesen: Hintergrund Bürgerentscheid

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Weinheim, 18. März 2012. (red) In Bayern sind Bürgerentscheide längst ein von der überwiegenden Mehrheit der Bürger und Politiker geschätztes Mittel direkter Demokratie. In Baden-Württemberg scheitern Bürgerentscheide oft am Negativkatalog oder am Quorum. Und dass Gemeinderäte von sich aus die Bürgerinnen und Bürger entscheiden lassen, gibts schon mal so gut wie gar nicht. Von Bürgerbeteiligung zu reden, ist schick – aber meist nur leere Luft. Es gibt aber positive Beispiele.

Von Hardy Prothmann

Es gibt Streit im Ort – die einen wollen nicht, was die anderen wollen. Zwar könnte die Mehrheit ihren Willen qua Gemeinderatsbeschluss durchsetzen – aber dem Bürgermeister ist nicht wohl dabei. Er will keine Gewinner und Verlierer sehen, sondern die Entscheidung in einer Sachfrage.

Deshalb schlägt er dem Gemeinderat vor, die Entscheidung an die Bürgerinnen und Bürger zu geben. Sie sollen per Bürgerentscheid bestimmen, welche Lösung sie haben wollen. 56 Prozent nehmen am Bürgerentscheid teil. Das Ergebnis ist eindeutig 81 Prozent sind für die Lösung der Mehrheit im Gemeinderat, 19 Prozent dagegen.

An der Parteifarbe kanns nicht liegen: SPD-Bürgermeister Rupp schlägt Gemeinderat Bürgerentscheid vor, der kommt und wird klar entschieden. Quelle: nadr.de

 

Nach dem Bürgerentscheid sind beide Seiten zufrieden. Sie akzeptieren das Ergebnis dieser direktdemokratischen Entscheidung.

Richtig – diese Abstimmung fand nicht in Weinheim statt, sondern in Gondelsheim in der Nähe von Karlsruhe. Es ging um die Frage, ob es eine Bahnunterführung oder eine Umgehung geben sollte. Die Bahnunterführung kann nun kommen. Eine sehr aktive Gruppe hatte die Umgehung gewollt, die meisten Bürgerinnen und Bürger aber nicht.

Entscheidung in der Sache

Der Gondelsheimer Bürgermeister Markus Rupp (SPD) hat den dritten Bürgerentscheid in der 3.500-Seelen-Gemeinde angestoßen, der Gemeinderat hat dafür gestimmt, die Bürgerinnen und Bürger haben sich aktiv beteiligt. (Den Bericht unseres Partnerblogs “Neues aus der Region” finden Sie hier.)

Szenenwechsel: Waakirchen am Tegernsee. Es gibt Diskussionen um einen Hotelneubau. Es gibt ein Bürgerbegehren, es kommt zum Bürgerentscheid. 64,5 Prozent beteiligen sich, 80 Prozent stimmen für den Hotelbau – ungefähr so hätte auch der Gemeinderat abgestimmt. Der Entscheid ist bindend. Es gibt keinen Ärger. In der Sache wurde entschieden. (Tipp: Sehr lesenswerter Kommentar auf unserem Partnerblog “Tegernseer Stimme”.)

Warum geht das nicht auch in Weinheim?

Weil hier wie in vielen Kommunen noch die “alte Politik” gemacht wird. Vor Wahlen wird alles mögliche versprochen und dann wird regiert, als gäbe es keine Bürgerinnen und Bürger. Und Stadträte trauen denen, die sie vertreten, nichts zu.

Wer sagt “zu komplex”, kann auch gleich sagen: “Der Bürger ist dumm.”

“Zu komplex” ist ein beliebter Ausdruck, sei die Entscheidung. Das könne man nicht dem Bürger überlassen, der vermutlich “einseitig” informiert sei und schon gar nicht “die Tragweite ermessen kann”. Auch Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) argumentiert so. Im Klartext heißt das: Ich traue Euch Mitbürgern nicht zu, dass Ihr Euch eine eigene Meinung bildet. Ich machs schon richtig. Euch brauche ich nicht dafür.

Zumindest war das noch vor kurzem so. Jetzt hat auch OB Bernhard zumindest als Möglichkeit einen Bürgerentscheid entdeckt. Vorher soll das Volk aber über ein Forum und “Bürgerräte” auf kurz gebracht werden.

Die Taktik ist klar: Dass sich Bürger überhaupt erheben, dafür braucht es viel Ärger. Diesen Ärger bekommt man aber klein, in dem man Verfahren zieht. Jede Stunde Zeit, die die Verwaltung hineininvestiert, bekommen die Mitarbeiter bezahlt. Die “aufständigen” Bürger aber müssen das in ihrer Freizeit erledigen.

Und: Ein Bürgerentscheid gegen einen Aufstellungsbeschluss in einem Bauleitferfahren ist gesetzlich nicht erlaubt. Ob das im vorliegenden Fall gilt, ist zwar unklar, aber der Oberbürgermeister behautpet das. Denn eigentlich will er keinen Bürgerentscheid. Er hat Sorge, dass die Gegner in der Überzahl sind.

Wie wenig demokratisches Verständnis OB Bernhard mitbringt, erkennt man am Ablauf. 2007 hatte der ATU empfohlen, die Flächen Hammelsbrunnen gegen Breitwiesen zu tauschen. Vier Jahre passierte nichts. Erst im Sommer 2011 kam das Thema plötzlich wieder auf und dann sollte alles schnell gehen, Druck wurde aufgebaut und das Ergebnis ist nun eine verfahrene Situation.

Bürgerbeteiligung aus Not – nicht aus Überzeugung

Spätestens im September musste nach einer ersten Unterschriftensammlung klar gewesen sein – bei der Frage besteht ein erhebliches Konfliktpotenzial. Statt Fakten zu schaffen, hätte der OB dem Gemeinderat auch eine Beschluss vorlegen können, der die Situation offen hält. Beispielsweise Verhandlungen mit dem Regionalverband aufzunehmen, um noch etwas Zeit zu gewinnen. Gleichzeitig hätte er dem Gemeinderat vorschlagen können, die Frage durch einen Bürgerentscheid zu lösen. Oder den Bürgerinnen und Bürgern sechs Wochen Zeit zu lassen, ein Bürgerbegehren einzureichen – um den Ball an die anderen zurückzuspielen.

In der Zwischenzeit hätte er sich mit der Bürgerinitiative auf einen Fahrplan von Informationsveranstaltungen einigen können. Der Ablauf wäre gewesen wie er jetzt ist, mit dem Unterschied, dass der Bürgerentscheid aktuell bereits durchgeführt worden wäre und ein eindeutiges, basisdemokratisches Ergebnis vorliegt.

Der aktuelle Stand ist bekanntlich ein anderer: Die Positionen sind verhärtet, es droht ein Rechtsstreit, der lange andauern kann. Es entstehen unnötige Kosten und eine schlechte Stimmung. Veranwortlich: Oberbürgermeister Heiner Bernhard und die Mehrheit des Gemeinderats, die dem Volk ebenfalls nichts zutraut.

Information Bürgerentscheid

Die Einzelheiten sind in Paragraf 21 der Gemeindeordnung geregelt.

Bürgerentscheide müssen mit einer zwei Drittel Mehrheit durch den Gemeinderat beschlossen werden. Der Gemeinderat kann dies aus seiner Mitte heraus beantragen und beschließen, Bürger haben die Möglichkeit, über ein Bürgerbegehren einen solchen Entschluss zu beantragen.

Damit ein Bürgerentscheid erfolgreich ist, muss er ein Quorum erfüllen. Mindestens 25 Prozent der wahlberechtigten Bürger müssen ihre Stimme abgeben – sonst gilt der Bürgerentscheid als nicht erfolgreich. Erst ab diesem Quorum entscheidet dann die jeweilige Mehrheit.

Die meisten Bürgerbegehren scheitern an den zu hohen Hürden: Negativkatalog (siehe GemO), zu kurze Zeitfristen, Quorum sind die wesentlichen Hindernisse.

Die Jahreszahlen sind gesplittet, weil 2005 das Gesetz geändert wurde. In der zweiten Spalte werden die Bürgerbegehren aufgeführt, in der dritten die Ratsbegehren, in der vierten die Gesamtzahl. Quelle: Mehr Demokratie e.V.

 

Anmerkung der Redaktion: Neues aus der Region und Tegernseer Stimme gehören zum bundesweiten Netzwerk istlokal.de, ein Zusammenschluss unabhängiger Lokalzeitungen im Internet.

Infoveranstaltung im Rolf-Engelbrecht-Haus

Mehr Bürgerbeteiligung? Wie und warum?

Weinheim, 05. März 2012. (red/pm) „Stadtentwicklung ist komplexer als die Aufstellung eines Bebauungsplanes oder ein Planfeststellungsbeschluss“, sagt Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz.

Information der Stadt Weinheim:

„So komplex und manchmal abstrakt die Themen der Stadtentwicklung auch sein mögen, wir müssen die Bürgerinnen und Bürger auf die Reise in die Zukunft unserer Städte mitnehmen“,

so formuliert es sein Nürnberger Amtskollege Ulrich Maly. Und Thorsten Albig, OB der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel, fasst zusammen: „Vor allem das Zusammenwirken der verschiedenen Felder muss besser verstanden werden. Schulpolitik – Sozialpolitik – Wirtschaftspolitik: Wo bedingen sie sich? Wo müssen wir was tun?“

Und weiter:

„Die Bürger sind nicht nur tagtäglich von nahezu allen Belangen betroffen, sie sind geradezu Experten ihrer eigenen Sache.“

Drei Stadtoberhäupter, die es wissen müssen. Mannheim, Nürnberg und Kiel gehören zu den deutschen Großstädten, die sich in einem Städte-Netzwerk „Stärkung lokaler Demokratie durch bürgerorientierte Stadtentwicklung“ zusammengeschlossen haben und neue Formen der Bürgerbeteiligung anwenden.

Das Netzwerk arbeitet eng mit der Wuppertaler Forschungsstelle „Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie“ zusammen. Dort sitzt gewissermaßen der „wissenschaftliche Hintergrund“ der kommunalen Praktiker.

Seit 1975 gibt es die Forschungsstelle, die außerdem die „Datenbank Bürgerbegehren“ betreut.

Es sind die führenden deutschen Experten zum Thema Bürgerbeteiligung, die am Mittwoch, 7. März, 19 Uhr, auf Einladung der Stadt Weinheim eine öffentliche Info-Veranstaltung im Rolf-Engelbrecht-Haus für interessierte Bürger gestalten.”

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Uli Sckerl: “Für uns hier hat Stuttgart 21 keinerlei positive Effekte.”

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Rhein-Neckar, 21. November 2011. Am 27. November 2011 entscheiden die Bürgerinnen und Bürger mit der Volksabstimmung über das Schicksal des Bahnhofbaus “Stuttgart 21″. Wer mit “Ja” abstimmt, wählt das Ausstiegsgesetz, Stuttgart 21 wird dann nicht gebaut. Wer mit “Nein” stimmt, will, dass der Bahnhof gebaut wird. Der Weinheimer Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl (Bündnis90/Die Grünen) ist parlamentarischer Geschäftsführer in Stuttgart und erläutert seine Position und die seiner Partei zu Stuttgart 21. Insbesondere, was das Bahnhofsprojekt für unsere Region bedeutet.

Interview: Tilmann Schreiber

Herr Sckerl, am 27. November stimmt das Volk über Stuttgart 21 ab. Was bedeutet denn so eine Volksabstimmung?

Hans-Ulrich Sckerl, grüner Landtagsabgeordneter aus dem Wahlkreis 39 (Weinheim) erläutert seine Sicht auf Stuttgart 21 und empfiehlt mit "Ja" den Ausstieg zu wählen. Bild: B90/Die Grünen

Hans-Ulrich Sckerl: Die Volksabstimmung bedeutet einen historischen Einschnitt. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg entscheidet die Bevölkerung anstelle der Parlamente. Das ist der Beginn einer neuen politischen Kultur. Wir wollen, dass die Bürger immer wieder direkt mitentscheiden können.

Mal ehrlich, Stuttgart 21 ist so weit weg. Was haben wir hier in Nordbaden mit dem Projekt zu tun?

Sckerl: Stuttgart 21 hat eine negative Ausstrahlung bis nach Nordbaden, wie in alle Regionen des Landes. Mittel für den ÖPNV werden seit Jahren für dieses Projekt konzentriert, die Kommunen warten viel länger auf Verkehrsprojekte und zahlen höhere Eigenanteile. Wichtige Fernverkehrsstrecken des Bundes wie die Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim fallen aus der Prioritätenplanung heraus. Die Strecke kommt jetzt, wenn überhaupt, erst gegen das Jahr 2030. Und sollte eigentlich schon längst gebaut sein.

Die Folge ist, dass unsere hiesige Main-Neckar-Bahn allein durch den zunehmenden Güterverkehr hoffnungslos überlastet ist. Dadurch könnte in den nächsten Jahren selbst der wenige Nahverkehrsanteil auf dieser Strecke noch verdrängt werden. Nach dem europäischen Eisenbahnrecht hat Güterverkehr Vorfahrt. Es ist absurd: Für alle Bahnverbindungen in den Süden hat der Lückenschluss Frankfurt-Mannheim eine zentrale Bedeutung. Dennoch wird die Maßnahme für das Prestigeprojekt Stuttgart 231 weit hintenan gestellt.

Die S-Bahn wird doch ausgebaut. Ich kenne viele, die sagen, Stuttgart 21 betrifft uns doch gar nicht?

Sckerl: Aber wann kommt die 2. Stufe der S-Bahn? Wie vereinbart im Dezember 2015? Im Moment deutet alles daraufhin, dass der Start zum 3. Male verschoben wird. Von 2019 ist bereits die Rede. Der Grund ist ganz einfach auch hier: Die wenigen Fördermittel für Schienenprojekte können nur einmal ausgegeben werden, in Stuttgart oder eben in den Regionen.

Für die S-Bahn fehlen Mittel von knapp 100 Millionen für die Verbesserung der Infrastruktur in den Bahnhöfen Mannheim und Heidelberg und auf der Strecke dazwischen. Ohne diese Kapazitätserweiterung kann gar keine zusätzliche S-Bahnstrecke in Betrieb genommen werden. Das ist ein ganz direkter Zusammenhang, Stuttgart 21 kannibalisiert förmlich den Nahverkehr.

“Stuttgart 21 hat für uns hier keinerlei positive Effekte.”

Es wird immer wieder behauptet, Stuttgart 21 sei wichtig fürs Land. Kann ja sein, aber ist es auch wichtig für uns hier vor Ort?

Sckerl: Nein. Für uns hier, genauso wie für das Land insgesamt hat der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs keinerlei positive Effekte. Wer von hier nach Stuttgart zum Arbeiten fährt, hat ab Weinheim und Heidelberg zahlreiche 50-60 minütige IC-Verbindungen, ab Mannheim stündlich den ICE, der knapp 40 Minuten braucht. Da werden sich beim Tiefenbahnhof durch die Reduzierung auf 8 Gleise eher mehr Verspätungen ergeben. Reisende aus unserer Region in Richtung München werden von Fahrzeitverkürzungen auf der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm profitieren, nicht aber von Stuttgart 21.

Der CDU-Fraktionschef Peter Hauk behauptet, es gehe darum, “ob es in diesem Land noch Verlässlichkeit und eine Basis für Vertrauen in bestehende Verträge, in Baurecht und Gerichtsurteile gibt”. Was meinen Sie dazu?

Sckerl: Hauk ist ja geradezu berufen, der grün-roten Landesregierung solche Vorwürfe zu machen. Er hat an führender Stelle den Bruch der Verfassung beim sog. „EnBW-Deal“ zu verantworten, eine Erklärung dazu steht bis heute aus. Für das Debakel um Stuttgart 21 und die fehlende Legitimation tragen er und die Seinen die Verantwortung. Wir reparieren diesen riesigen Vertrauensschaden jetzt mit der Volksabstimmung. Künftig wird es bei großen Bau- und Infrastrukturprojekten eine frühzeitige Bürgerbeteiligung geben. Das wird Konflikte lösen helfen und Investitionen neue Sicherheit geben. Uns liegt sehr an der Verlässlichkeit des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg.

“Der Ausstieg ist mit maximal 350 Millionen Euro finanziell verantwortbar.”

Die CDU warnt ebenso vor Ausstiegskosten von 1,7-2,5 Milliarden Euro. Ist das so?

Sckerl: Nein, definitiv nicht. Wir haben das mehrfach gründlich überprüfen lassen. Eine der wichtigsten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dieses Landes, die Märkische Revision hat akribisch geprüft und gerechnet: Im günstigsten Falle hat die Bahn einen Schadenersatzanspruch von maximal. 350 Millionen Euro. Das ist immer noch viel Geld, aber in der Summe liegt die Alternative Modernisierung Kopfbahnhof plus Schadenersatz um über 50% unter den Kosten von Stuttgart 21. Deshalb ist der Ausstieg auch finanziell verantwortbar.

Kritiker der Volksabstimmung sagen, dass das Ausstiegsgesetz nicht rechtens wäre. Was sagen Sie?

Sckerl: Wir haben die Kritiker ermuntert, den Staatsgerichtshof anzurufen und die Frage der Recht- und Verfassungsmäßigkeit des Ausstiegsgesetzes und der Volksabstimmung klären zu lassen. Sie hatten gute Gründe das nicht zu tun. Das Kündigungsgesetz ist verfassungs- und rechtskonform.

Will man der Bevölkerung ernsthaft weismachen, der Finanzierungsvertrag sei unkündbar? Das heisst, egal was passiert, selbst wenn die Kosten über 6 Milliarden steigen und Stuttgart 21 zum Milliardengrab wird, sind die Vertragspartner verpflichtet zu bauen? Auf Teufel komm´ raus? Studierende lernen schon im ersten Semester Jura, dass das nicht stimmt.

“Ich rechne auch hier bei uns mit einer Beteiligung von über 50 Prozent.”

Mit welcher Beteiligung rechnen Sie? Glauben Sie, dass die Nordbadener sich gut beteiligen werden?

Sckerl: Die repräsentative Umfrage zur Volksabstimmung des SWR vom 17.11. legt eine Wahlbeteiligung von über 50% nahe. Ich rechne mit einer Beteiligung von deutlich über 50%, in Nordbaden nicht viel niedriger als in Stuttgart. Die Aussicht, eine derart wichtige Frage selbst entscheiden zu dürfen mobilisiert unabhängig vom Gegenstand der Volksabstimmung viele Menschen. Sie finden das einfach gut und wollen dabei sein.

Es gibt viele, die sagen, Bürgerbeteiligung ist wichtig, aber die repräsentative Demokratie auch. Schließt sich das gegenseitig aus?

Sckerl: Nein, es geht um eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie. Die Menschen haben jetzt vielfach deutlich gemacht, dass sie an wichtigen Sachentscheidungen direkt beteiligt werden und nicht nur alle vier oder fünf Jahre ihr Kreuzchen auf einem Wahlschein machen wollen.

Wir sehen ja bei der Zahl der Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene einen erheblichen Anstieg in den letzten Jahren. Die Menschen sind interessiert, engagiert und wollen mitentscheiden. Deswegen müssen die direktdemokratischen Elemente in der Landesverfassung als Ergänzung der repräsentativen Demokratie gestärkt werden.

Noch mal zu uns hier vor Ort: Wo sehen Sie ähnliche Konflikte wie bei Stuttgart 21?

Sckerl: Eine derart große Bürgerbewegung gibt es bei uns natürlich nicht. Aber Konflikte zwischen Verwaltungen und Gemeinderäten auf der einen und unzufriedenen Bürgern auf der anderen Seite, haben auch wir vor Ort immer öfter. Der Konflikt um die Pfennig-Ansiedlung in Heddesheim, das „Schlossbergareal“ der Fa. Familienheim in Weinheim oder die unselige Kreisverbindungsstraße in Hemsbach sind derartige Konflikte.

“Einer unserer Skandale vor Ort sind die S-Bahnhöfe, die viel teurer werden, als “kalkuliert”.”

Eine Art Skandal haben wir ja: Der Ausbau der S-Bahnhöfe ist viel teurer als ursprünglich “kalkuliert”. Was halten Sie davon?

Sckerl: Das Verhalten der Bahn ist ein Skandal. Man holt die Kommunen mit Verlockungen ins Boot, lässt sie auf der Basis geschönter Kostenprognosen Finanzierungsverträge unterschreiben, um sie dann mit Kostensteigerungen von 70 bis 150 % förmlich zu erpressen. Welcher Gemeinderat will es sich aber erlauben, politisch für die Verweigerung der kommunalen Mittel und damit für das Scheitern der S-Bahn-Linie 5 an der Bergstraße die Verantwortung zu übernehmen?

Wäre ein Ausstieg aus S21 wirklich so ein Schaden fürs Land, wie die Befürworter immer wieder betonen?

Sckerl: Im Gegenteil. Der Ausstieg wird Gelder freisetzen, da die Alternativen mit der Ertüchtigung des Kopfbahnhofs nur ein gutes Drittel kosten. Wir können dann beides machen: Die Leistungsfähigkeit des Verkehrsknotens Stuttgart und den öffentlichen Verkehr in den Regionen verbessern.

Mal angenommen, der Ausstieg kommt, wie geht’s dann eigentlich weiter?

Sckerl: Dann wird das Land die Vollmacht zur Kündigung des Finanzierungsvertrags, die ihm das Volk mit der Abstimmung gegeben hat, wahrnehmen. Es wird umfassende Verhandlungen mit der Bahn und den anderen Projektbetreibern über den Ausstieg, aber insbesondere über die Alternative geben, die wir dann sofort in Angriff nehmen wollen. Das heisst, es geht dann um die Modernisierung des Kopfbahnhofs und die Planung einer Verbindung von diesem zur Neubaustrecke Stuttgart-Wendlingen-Ulm.

Wie verhalten Sie sich, wenn die Volksabstimmung nicht zum Ausstieg aus Stuttgart 21 führt?

Sckerl: Dann gilt die Verfassung: Bei einer Mehrheit für Stuttgart 21 oder bei einem Verfehlen des Quorums für den Ausstieg ist das Kündigungsgesetz abgelehnt. Unabhängig davon gilt aber der zwischen SPD und Grünen vereinbarte Kostendeckel von 4,526 Milliarden Euro. Wenn das Projekt mehr kostet und davon ist auszugehen, wird das Land sich nicht an den weiteren Kosten beteiligen. Das ist dann Sache des Bundes und der Bahn.

Weitere Infos: Die Bergstraße sagt “Ja” zum Ausstieg

Initiative Bürgerbegehren Breitwiesen wundert sich über Rathaus-”Kommunikation”

Weinheim, 16. November 2010. (red/pm) Nächste Runde im Konflikt “Breitwiesen”. Die Initiative Bürgerbegehren Breitwiesen “wundert” sich in einer Stellungnahme über die Kommunikation des Rathauses. Vor allem die Weitergabe einer persönlichen email an die Presse, die der erste Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner an Frau Hagenbruch geschrieben hatte. Die email liegt uns auch vor, wurde aber nach Prüfung nicht verwendet, die Weinheimer Nachrichten zitierten daraus.
Weiter wundert sich die Initative über eine unverbindliche Stellungnahme des Regierungspräsidium. Wir hatten dort zur Sachlage nachgefragt. In Karlsruhe war diese angeblich noch nicht bekannt – sehr verwunderlich, weil sich die Stadtspitze als sehr sicher in der Einschätzung der juristischen Lage gibt.
Tatsächlich ist der Fall mindestens interessant, wenn nicht sogar absolutes Neuland. Auch eine Rückfrage von uns bei einem Experten der Fachhochschule Kehl brachte nur den Verweis auf einen “Spezialfall”, zu dem keine Kenntnisse vorlagen.
Wir dokumentieren die Stellungnahme der Initiative.
Pressemitteilung der Initiative Bürgerbegehren Breitwiesen:
“Kommunikation statt Konfrontation – das wünscht sich die Initiative Bürgerbegehren Breitwiesen.

Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Schützt die Weinheimer Breitwiesen“ haben sich die Initiatoren schon viele Gedanken gemacht. Ergebnis: „Wenn die Stadt oder auch das Regierungspräsidium die Zulässigkeit in Zweifel ziehen, so verbirgt sich dahinter eine deutliche Geringschätzung des Bürgerwillens“, so die Initiative in einer Pressemitteilung. „Wann, wenn nicht direkt nach der allerersten Wegbereitung in Richtung einer Nutzungsänderung darf sich denn der Bürger einschalten?“ wird weiter gefragt. Zumal der Oberbürgermeister mehrfach betont habe, dass noch gar nichts entschieden sei.

Der Initiative geht es aber auch um die Art der Verständigung mit der Verwaltung. „Die Kommunikation des Ersten Bürgermeisters gegenüber den Bürgern war bisher vorbildlich, wird Dr. Torsten Fetzner gelobt. Nun aber wundert sich die Initiative „Bürgerbegehren Breitwiesen“ über eigenartige Wege: Erst über Zeitungsberichte wurde deutlich, dass eine an Ingrid Hagenbruch persönlich gerichtete E-Mail von Herrn Dr. Fetzner auch der Presse zuging, ohne dass dies für die eigentliche Empfängerin erkennbar war. „Dieses Verfahren ist sehr befremdlich“, bemerkt dazu Rechtsanwältin Hagenbruch, die den Bauernverband mit dem erfahrenen „Bündnis für Weinheim“ nicht nur fachlich unterstützt.

Besonders erstaunt zeigt sich die Initiative über den geänderten Ton aus dem Rathaus. So hatte es kurz nach Bekanntgabe des Bürgerbegehrens noch von der Verwaltungsspitze geheißen, dass ein Bürgerbegehren selbstverständlich respektiert werde. „Ein solcher Weg ist ja ausdrücklich in der Gemeindeordnung vorgesehen und daher auch das gute Recht jedes Bürgers, “ war im städtischen Statement zu erfahren.

Nun wird in der neuen Nachricht des Ersten Bürgermeisters ein Gespräch angeboten, überschrieben allerdings mit dem Betreff „Kommunikation statt Konfrontation“. Da fragen sich die Unterstützer des Bürgerbegehrens, ob denn nun ihre demokratische  Initiative als Konfrontation aufgefasst wird.

Hierzu stellt Hagenbruch klar: „Ein Bürgerbegehren ist keine Konfrontation, wie dies im Rathaus bezeichnet wurde, sondern ein legitimes Instrument, das Bürger auf der Grundlage der Gemeindeordnung nutzen können.“ Selbstverständlich sei man beim Bauernverband, dem Bündnis für Weinheim und der Initiative Breitwiesen zu Gesprächen bereit.

Geprüft werde derzeit auch, wie sich die fehlerhaften Informationen über die zeitlichen Vorgaben des Regionalplans auswirken.

„Wenn jedoch jetzt der Erste Bürgermeister in einer informellen Mitteilung die Zulässigkeit eines  Bürgerbegehrens bereits im Vorfeld in Frage stellt, dann ist dies unangebracht und entspricht weder einer bürgernahen Haltung noch gründlicher rechtlicher Prüfung.

Es dürfte nicht außergewöhnlich sein, dass außerhalb der Verwaltung  andere Meinungen und Rechtsauffassungen zu grundsätzlichen Fragen vertreten werden. Es dürfe doch wohl bezweifelt werden, ob eine als alternativlos dargestellte Verwaltungsvorlage mit dem künstlich aufgebauten Zeitdruck  zu einer Ratsentscheidung führen konnte, die tatsächlich die Interessen der Bevölkerung widerspiegelt.
Daher sieht die Gemeindeordnung in grundsätzlichen Fragen – und um eine solche handelt es sich, wie der OB mehrfach betonte – die Möglichkeit vor, dass der Gemeinderat (wohlgemerkt: nicht die Verwaltung) eine Entscheidung den Bürgern überträgt. Eine Blamage wäre es allerdings für eine Stadtverwaltung, Bürgerbeteiligung in grundsätzlichen Fragen von vornherein abzulehnen oder zu erschweren.“
Eine Stadt, die sich damit gegen ihre Bürger stellt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Mit Befremden nimmt die Initiative zur Kenntnis, dass sich angeblich die Aufsichtsbehörde zur Zulässigkeit eines Begehrens geäußert habe, welches noch nicht einmal eingereicht wurde.
Hierzu wird darauf hingewiesen, dass der Vergleich mit einem Fall in Rheinstetten schon daran scheitert, dass der  Sachverhalt hier ganz anders gelagert ist.
Eine Bürgerbeteiligung im jetzigen Stadium ist zulässig. Würde dies anders gesehen, gäbe es wohl kaum noch eine Fallkonstellation, in der Bürger über grundsätzliche Fragen mitentscheiden können, so wie es die Gemeindeordnung vorsieht.

Abschließend weist die Initiative darauf hin, dass andernorts das „Zukunftsmodell Bürgerbeteiligung“ sogar so aussähe, dass auf der städtischen Homepage Anleitung hierfür gegeben werde. Die Initiative muss daher fragen: „Wie weit ist Weinheim hiervon entfernt? Wie viel erfolgreicher könnte die Arbeit der Kommune durch direkte Beteiligung der Bürger gestaltet werden?“

Die Initiative appelliert daher an Verwaltung und Gemeinderat, die Bürger demokratisch zu beteiligen und über diese grundsätzliche Frage mitentscheiden zu lassen.”

Transparente Politik: Wie die kleine Gemeinde Seelbach anderen zeigt, was die Zukunft ist

Guten Tag!

Rhein-Neckar/Seelbach, 16. November 2011. Während sich die Bundesregierung seit kurzem scheinbar transparent gibt, gibt es sie bereits seit langem: Die echte Transparenz. Ein kleiner Ort im Schwarzwald macht vor, was andere nur vorgeben zu tun: transparente Politik. Die Gemeinde Seelbach überträgt, als wäre das eine Selbstverständlichkeit, die Gemeinderatssitzungen übers Internet. Einfach so. Und alle sind zufrieden.

Kommunalpolitik zuhause über den Bildschirm des Computers im Internet verfolgen – was vor zehn Jahren schier undenkbar schien, ist heutzutage kein Problem mehr. Zumindest technisch gesehen – in vielen Köpfen hingegen ist das noch eine “unerhörte” Sache.

Weniger Zuschauer im Saal können es nicht werden.

Dabei ist die Zuschauerresonanz bei den Gemeinderats- und Ausschusssitzungen meist mehr als überschaubar. Häufig kommen gar keine Gäste.

Dabei ist das politische Interesse der Bevölkerung durchaus gegeben – aber zwei, drei Stunden, manchmal noch länger zum Schweigen verurteilt im Raum zu sitzen, dafür haben nur wenige Zeit. Dabei interessieren sich die Menschen für die Ortspolitik. Reden auf der Straße, in der Kneipe, im Freundeskreis über das, was sie aus zweiter, dritter, vierter Hand haben.

Viele Themen sind nicht wirklich spannend – andere dafür aber von großer Bedeutung.

Wer noch arbeitet, gerade müde nach Hause gekommen ist oder sich um die Kinder kümmern muss, kann eventuell den Sitzungstermin nicht wahrnehmen, würde sich aber gerne später anschauen, was verhandelt worden ist.

Transparenz gibt Antworten und vermeidet Spekulationen.

Wer will es aber dem eigentlich interessierten Bürger verübeln, sich den Weg ins Rathaus zu sparen, wenn Entscheidungen und Beschlüsse in den Medien nachzulesen sind? Aber berichten diese Medien wirklich vorbehaltlos? Haben sie wirklich alle wichtigen Informationen richtig übermittelt? Oder wird gerne was vergessen, was nicht “in den Bericht passt”?

Wer wirklich informiert sein will, kennt das Original und vergleicht das mit der “Übermittlung” durch andere.

Wird jemand falsch oder nicht zutreffend zitiert? Wie soll man das wissen, wenn man nicht dabei war? Was sagen Bürgermeister und Gemeinderäte in den öffentlichen Sitzungen tatsächlich? Wer sagt was? Worüber und wie wird abgestimmt?

Alles live oder im Archiv abrufbar: Die Seelbacher Gemeinderatssitzungen werden bereits seit 2004 im Internet übertragen.

Eine Live-Berichterstattung kann den Bürgern all diese Fragen beantworten, ohne dass diese das Haus verlassen müssen – beispielsweise auch ältere Menschen, von denen immer mehr das Internet als Anschluss zur Welt schätzen lernen.

Widerstand kommt vor allem von den Gemeinderäten.

Die Betreiber lokaler Blogs und Internet-Lokalzeitungen kämpfen gegen viel Widerstand - gegen verstaubte Hauptsatzungen und viele Vorurteile lokaler Politiker. Einen (vorerst) weiteren, bedingt erfolgreichen Versuch, Lokalpolitik live ins Netz zu übertragen, gab es im September in Passau, wo einiger Wirbel um das Thema entstand.

Vor allem die SPD machte die Modernisierung zur Provinzposse – die SPD-Mitglieder wollten sich auf keinen Fall aufnehmen und zeigen lassen. So hätte die Übertragung mit jeder SPD-Wortmeldung unterbrochen werden müssen. Nachdem sich die SPD in Passau der Lächerlichkeit preisgegeben hat, hat man sich besonnen und ist nun doch “auf Probe” einverstanden, wie der Bayerische Rundfunk berichtet.

Engagierte Schüler und 5.000 Euro Budget fürs Bürgerfernsehen.

Es geht aber auch anders, wie eine kleine Gemeinde im Schwarzwald zeigt. Unter dem Titel Seelbach-TV überträgt die Gemeinde Seelbach bereits seit 2004 alle Gemeinderatssitzungen ins Netz und bietet sie anschließend lückenlos zum Download übers Internet an.

Das Gesamtbudget dafür beträgt vergleichsweise günstige 5.000 Euro pro Jahr. Acht bis neun Schülerinnen und Schüler der örtlichen Realschule führen in wechselnden Teams zwei Kameras und bedienen die sonstige Technik. Die Fachhochschule Kehl betreut das Projekt als Partner.

In den Sitzungen haben wir nie so viele Zuschauer, sagt Pascal Weber.

Hauptamtsleiter Pascal Weber ist begeistert: “Aus unserer Sicht ist das Projekt ein toller Erfolg.” Das zeigen die “Einschaltquoten” der 5.000-Einwohner Gemeinde: mehrere Dutzend bis weit über 100 “Zuschauer” hat das Bürger-TV in Seelbach. Regelmäßig.

Rechnet man diese Zahlen hoch, wären das beispielsweise für Hirschberg an der Bergstraße 60-180 Besucher pro Sitzung, für Ladenburg 70-200, für Weinheim 250-720 Besucher. Tatsächlich nimmt in Hirschberg oft niemand, manchmal wenige und sehr selten vielleicht ein Dutzend Besucher teil. Der aktuelle Besucherrekord in Weinheim war 2011 im Oktober mit rund 130 Zuschauern zum Aufregerthema “Breitwiesen” – sonst sind ein paar bis höchstens ein Dutzend Zuschauer die “Höchstgrenze” an Interesse.

SeelbachTV.de - Transparenz als Normalzustand.

Die Skepsis war schnell vorbei.

Gab es keine Bedenken? “Doch”, sagt Hauptamtsleiter Weber:

Zu Beginn waren rund ein Drittel unserer 18 Gemeinderäte skeptisch. Was wenn ich stammle oder blöd wirke, so in der Art waren die Bedenken. Aber nach den ersten paar Sitzungen hat sich die Skepsis gelegt und seitdem achtet keiner mehr auf die Kameras. Die gehören dazu.

Wer denkt, Seelbach ist vielleicht ein Ort, den “Aktivisten” übernommen haben, irrt. Seelbach ist eine absolut typische Gemeinde. Die CDU stellt sieben, eine Freie Wählerliste sechs und die SPD fünf Gemeinderäte – die meisten sind zwischen 50 und 60 Jahre alt.

Rechtlich abgesichert.

Rechtlich ist die Übertragung abgesichert: Alle Gemeinderäte und Verwaltungsangestellte haben ihre Zustimmung erklärt und Bürger werden in der Fragestunde um Erlaubnis gebeten: “Da hat noch nie einer widersprochen”, sagt Pascal Weber. Und laufen die Sitzungen anders als sonst? “Überhaupt nicht, die Gemeinderäte sprechen ihr breites Badisch und diskutieren die Themen wie immer.”

Seelbach ist insgesamt ein anschauliches Beispiel, wie transparente Lokalpolitik aussehen kann. Auf der Gemeindeseite werden die Beschlussvorlagen zu den Gemeinderatssitzung schon im Vorfeld veröffentlicht (inkl. aller Zahlen und Fakten) und auch die Sitzungsprotokolle stehen nach den Sitzungen schnell und dauerhaft online zur Verfügung.

Das sind traumhaft transparente Zustände – im Vergleich zu dem Großteil der Kommunen im Land ist Seelbach hier Spitzenreiter. Universitätsstädte wie Heidelberg sind dagegen altbacken – hier wurde Ende 2009 eine Live-Übertragung aus dem Gemeinderat per Beschluss verhindert.

Teilhabe erfodert auch mehr Transparenz der Entscheidungen.

Und wie traurig sind die Zustände in Nordbaden, unserem Berichtsgebiet: Pfenning in Heddesheim, der Sterzwinkel in Hirschberg und aktuell “Breitwiesen” in Weinheim sind drei absolute Negativbeispiele. Intransparente Entscheidungen am Bürger vorbei präg(t)en diese “Vorhaben”. Vieles wurde im Hinterzimmer entschieden, nicht-öffentlich und es ist kein Wunder, dass die Menschen alle Formen von Klüngel mutmaßen.

Der Forderung nach Transparenz und Bürgerbeteiligung steht die Realität gegenüber. Hier vor Ort werden so viele Themen wie möglich sogar bevorzugt “nicht-öffentlich” verhandelt.

Wer das ändern möchte, kann sich an den Gemeinderat seines Vertrauens wenden und nachfragen, wie lange das noch mit der Geheimniskrämerei weitergehen soll und ob man nicht endlich bereit ist, im 21. Jahrhundert anzukommen und sich das Interesses und die Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger zunutze zu machen.

Mehr zum Thema gibt es auf dem Politblog [x Politics]. Dort geht es um Trends und Bewegungen, die fernab der parteipolitischen Tagesagenda die gesellschaftliche Zukunft gestalten und verändern.

Anmerkung der Redaktion:
Der vorliegende Artikel ist eine überarbeitete Fassung. Das Original wurde von der Tegernseer Stimme im bayerischen Gmund veröffentlicht, die ein ähnliches Lokalzeitungsnetzwerk betreibt wie unser Angebot. Der Geschäftsführer der Lokalen Stimme, Peter Posztos und Hardy Prothmann, verantwortlich für dieses Blog, betreiben zusammen die Firma istlokal Medienservice UG (haftungsbeschränkt), deren Geschäftsziel der Aufbau von unabhängigen Lokalredaktionen zur Förderung der Meinungsvielfalt und Demokratie ist.

Unter istlokal.de sind bislang rund 50 lokaljournalistische Angebote in einer Arbeitsgemeinschaft organisiert. Die Lokaljournalisten tauschen über weite Strecken hinweg Themen und Erfahrungen aus, die woanders vor Ort ebenfalls wichtig sind. Dabei nutzen sie das “weltweite Netz” heißt, um vor Ort kompetent, interessant, aktuell und hintergründig zu informieren.

Regierungspräsidium: Bürgerbegehren “Breitwiesen” vermutlich nicht zulässig

Erstaunlich: Verschiedene Gemeinderäte behaupten, der OB hätte sie unter Druck gesetzt - die 130 Zuschauer der Sitzung scheinen die Stadträte nicht bemerkt zu haben.

Guten Tag!

Weinheim/Karlsruhe, 15. November 2011. Schlechte Nachrichten für die Initiatoren des Bürgerbegehrens “Schützt die Weinheimer Breitwiesen”: Auf Anfrage zeigte sich das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde skeptisch, ob das Bürgerbegehren gesetzlich noch möglich ist.

Von Hardy Prothmann

Zwischen 1.100 und 1.500 Unterschriften sind durch die Initiative schon gesammelt worden – für eine genaue Angabe fehlt noch die Prüfung, die am Wochenende erfolgen soll, sagt Elisabeth Kramer, Stadträtin der GAL und einer der Mitinitiatorinnen des Bürgerbegehrens. Das macht Mühe, aber das Engagement der Gegner der Breitwiesen-Bebauung ist sehr hoch.

Weinheim=Rheinstetten?

Vielleicht ist die ganze Mühe umsonst – denn die Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Karlsruhe, zeigt sich auf unsere Nachfrage skeptisch, wie uns ein Sprecher mitteilt: [Weiterlesen...]

Kommentar: Der Gemeinderat wird – egal wie – zum Thema Breitwiesen falsch entscheiden


Guten Tag!

Weinheim, 19. Oktober 2011 (red) Wenn heute der Gemeinderat zum Thema “Breitwiesen” eine Entscheidung für eine Veränderung des Flächennutzungsplans trifft oder eine dagegen, ist jede Entscheidung falsch. So falsch wie das künstlich im Vorfeld erzeugte Dilemma: Entwicklung gegen Natur. Gesunder Menschenverstand und Bürgerbeteiligung könnten einen Ausweg zeigen – doch die Hoffnung darauf darf als utopisch gelten.

Von Hardy Prothmann

Ich nehme die Entscheidung klar vorweg: Nach unseren Kenntnisstand wird der Gemeinderat die Verschiebung der Entwicklungsfläche vom Gewann “Hammelsbrunnen” zum Gewann “Breitwiesen” heute beschließen. Damit wird die Mehrheit des Gemeinderats die 8. Änderung eines Flächennutzungsplans abnicken.

Die erste Frage, die aufkommt und auch vom Landwirt Fritz Pfrang gestellt worden ist: Welche Gültigkeit hat eigentlich so ein Flächennutzungsplan, wenn man ihn ständig neu beschließen kann? Die Antwort ist einfach: Keine. Stimmt nicht ganz – eher so: Keine, die man nicht neu definieren kann.

Der Flächennutzungsplan ist eine Farce – klopft ein Unternehmen an und signalisiert Arbeitsplätze und Gewerbesteuer, die zwei großen Zauberwort-Mantras der Kommunalpolitik, ändert sich alles ganz schnell, was vorher ganz anders war. Die jeweiligen Bürgermeister sehen “Notwendigkeiten”, denen “muss man sich stellen”, selbstverständlich “alternativlos” und so weiter.

Hier werden Dilemmata künstlich erzeugt. Hoffnungen und Ängste beschworen. Dazwischen gibt es nichts. Keinen Ausweg, keine Alternative. Nur entweder-oder. Nur Fortschritt oder Stillstand.

Was die Bürgerinnen und Bürger davon halten? Die werden nicht gefragt. Man hat ja schließlich gewählte Volksvertreter. Die sind zwar vollkommen überfordert, aber sie sollen entscheiden. Also: Bist Du für Fortschritt oder Stillstand? Entscheide Dich. Jetzt! Es gibt keine Alternative.

So laufen viele Entscheidungen in den Kommunen ab und auch das ist ein Farce. Weil die Wähler vor der Wahl nicht wissen, was hinterher als “Plan” durchgezogen wird, welche Interessen bedient werden. Und weil selbst unabhängige Gemeinderäte meist vor vollendete Tatsachen gestellt werden – ohne Zeit, sich zumindest ausreichend einzuarbeiten.

Dem Oberbürgermeister Heiner Bernhard habe ich anlässlich der Unterschriftenübergabe empfohlen, tatsächlich fortschrittlich zu agieren. Folgt er meinem Vorschlag, kostet ihn das kaum Geld und nur ein wenig Mühe.

Vorbemerkung
Klar ist, dass die geplante Umwidmung und die Ansiedlung eines Logistikbetriebs von Amazon (der Investor wurde uns gegenüber bestätigt) viele Gegner hat. Klar ist auch, dass sich die Verwaltung von der Ansiedlung viel verspricht.

Unklar ist, ob die Zweifel der Gegner wirklich begründet ist. Nur in einer Sache nicht: Das Ackerland wird unwiederbringlich verloren sein. Das steht fest.

Unklar ist aber auch, ob eine solche Ansiedlung tatsächlich ein “Gewinn” für die “Zukunftsfähigkeit” Weinheims ist. Braucht man wirklich die Arbeitsplätze, die vermeintlich im Niedriglohnsektor angesiedelt sind? Fließt wirklich Gewerbesteuer?

Es gibt noch zahlreiche andere Fragen, die noch vollkommen offen sind und geklärt werden müssen.

Und es gibt einen erkennbaren Widerstand in der Bevölkerung: 2.000 Unterschriften gegen die Planung sind eine Ansage, die man nicht einfach ignorieren kann.

Im Land sind Grüne und SPD angetreten, eine Politik auf Augenhöhe mit den Bürgern zu vertreten.

OB Heiner Bernhard ist kein Regierungsmitglied, aber verantwortlich für die Entwicklung Weinheims. Dazu gehört mehr, als Gewerbeflächen auszuweisen. Dazu gehört auch, eine neue Politik zu beschreiten, die Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger mit einzubeziehen.

Dazu gehört auch, im Vorfeld klug und umsichtig zu agieren und nicht einfach nur Fakten zu schaffen.

Vorschlag
In Bayern werden die meisten großen Bauvorhaben mittlerweile fast standardmäßig per Bürgerbegehren oder Bürgerentscheid entschieden. Und das trägt sehr zur Entspannung bei statt zur Konfrontation. Ist die Bürgerschaft für oder gegen ein Projekt, ist die Linie klar.

Im Fall der Zustimmung ist alles Handeln einfacher – im Fall der Ablehnung erspart man sich jede Menge Ärger.

In Heddesheim haben Bürgermeister Michael Kessler und die knappe Mehrheit des Gemeinderats Unfrieden und Spaltung über den Ort gebracht. Die geplante “Pfenning”-Ansiedlung hat das Gemeinwesen im Ort vergiftet. War das es das wert?

Oberbürgermeister Heiner Bernhard wäre sehr gut beraten, wenn er den Tagungsordnungspunkt 5 von der Liste streicht und alternativ vorschlägt, dass man den Gegnern der geplanten Veränderung Raum und Zeit gibt, sich zu organisieren und ihre Argumente vorzutragen.

Erreichen die Gegner ein Bürgerbegehren und wäre das Ergebnis eindeutig gegen ein Gewerbegebiet Breitwiesen, wäre die Sache entschieden. Erreichen sie es nicht, kann der Gemeinderat auf Basis aller Gegenargumente immer noch dafür entscheiden und wäre um die Gegenargumente, deren Berücksichtigung und deren Lösung reicher. Somit hätten die Befürworter einen Gewinn – aber auch die Gegner.

Die Realität

Oberbürgermeister Heiner Bernhard wird diesen Weg nicht beschreiten, denn vermutlich fehlt ihm die Einsicht in diese Form von aktiver Bürgerbeteiligung. Er wird das Dilemma zwischen Fortschritt und Stillstand skizzieren und eine Entscheidung fordern.

In vollem Bewusstsein, dass es zwar Widerstand gibt, dieser aber bis zur nächsten Wahl kaum Möglichkeiten hat, Einfluss zu nehmen. Und wenn dann gewählt wird, muss man sich zwischen Teufel und Beelzebub entscheiden. Und damit bleibt alles beim alten.

Die Hoffnung

Wenn der Oberbürgermeister aber wirklich in sich geht und sich die katastrophal niedrige Wahlbeteiligung bei seiner Wiederwahl ohne ernstzunehmenden Gegenkandidaten vor Augen führt und seine politische Verantwortung fühlt, kann er nicht anders, als neue Wege zu beschreiten und die Menschen tatsächlich damit überraschen, dass er nicht Fakten schafft, sondern Raum für Beteiligung gibt.

Er würde enorm viel gewinnen, denn er wäre einer von wenigen Bürgermeistern, die soviel Vertrauen und Verantwortung an die Bürgerschaft geben.

Sollte diese die Möglichkeit nutzen, wäre das ein Gewinn für die Verwaltung und für die Bürgerinnen und Bürger.

Sollte diese die Möglichkeit nicht nutzen, wäre es immerhin noch ein Gewinn für den Bürgermeister. Er könnte mit Fug und Recht sagen, dass er die Chance gegeben hat, diese aber nicht genutzt wurde. Also muss er allein mit dem Gemeinderat entscheiden.

Die Tatsache

Was für den Bürgermeister gilt, gilt auch für den Gemeinderat. Auch die Fraktionen haben die Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen und damit den Willen zu echter, direkter Demokratie in Verbindung mit der notwendigen repräsentativen Demokratie zu zeigen.

Auch hier könnten beide Seiten gewinnen. Tatsächlich muss man davon ausgehen, dass dies nicht der Fall sein wird. Die Umwidmung wird beschlossen werden. Zukunftschancen werden beschworen, Gegenargumente werden vorgebracht. Und bei der nächsten Wahl werden noch weniger Wähler zur Urne gehen. Und die Legitimation der Gremien wird immer fraglicher.

Wenn das so gewollt ist, dann wird es so kommen.

Wenn Weinheim ein Vorbild sein will, könnte es auch anders laufen. Wohlgemerkt: “könnte”.

Man würde rund drei bis vier Monate verlieren. Soviel Zeit bleibt nie bei künstlich erzeugten Dilemmata.

Deswegen wird der Gemeinderat falsch entscheiden – egal, ob dafür oder dagegen.

In den Köpfen regiert das Dilemma – alternatives Denken ist nicht im Ansatz entwickelt.

Sckerl und Kleinböck im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern


Gerhard Kleinböck (SPD) und Uli Sckerl (Grüne) beim "Dialogabend" im alten Rathaus.

Weinheim, 07. Oktober 2011. (red) Hans-Ulrich Sckerl und Gerhard Kleinböck haben zum Grün-Roten Dialogabend geladen – ins alte Rathaus am Marktplatz. Rund dreißig Personen sind gekommen – für mindestens doppelt so viele war bestuhlt. Ziel ist der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern. Ein Experiment, dessen Erfolg vor allem von den Bürgern abhängt.

Von Hardy Prothmann

Stuttgart 21 ist weit weg, doch als Thema auch am Donnerstagabend präsent: Was macht die SPD? Hält sie sich an den Ausstieg, wenn die Kostengrenze überschritten wird, von der alle sagen, dass das längst der Fall ist?

Kein einfacher Stand für Gerhard Kleinböck, der nicht für Stuttgart 21 ist, aber als alter SPDler natürlich das Wort “linientreu” kennt. Er ist nicht dafür, redet aber auch nicht dagegen.

Ganz anders Hans-Ulrich Sckerl. Der sagt: “Der Konflikt zwischen den Koalitionsparteien ist bekannt, da muss man nix anderes reden. Aber: Es ist auch weltweit eine Neuigkeit, dass zwei Parteien, die bei einer so zentralen Fragen ganz klar gegenteilige Positionen haben, trotzdem koalieren. Ich gehe davon aus, dass diese Koalition die ganze Legislaturperiode dran bleibt.”

Hier Bürgerdialog – dort heftiges Knirschen

Sckerl und Kleinböck, die sich duzen, scheinen jedenfalls gerne daran arbeiten zu wollen. Auch wenn es teils heftig knirscht in Stuttgart, vor allem wegen Nils Schmid, der sich mit der CDU in Hinterzimmern trifft. Damit beschädigt sich die SPD mehr und mehr – doch ihr Schaden ist auch der von Grün-Rot. Ohne SPD können die Grünen nicht regieren. Das weiß die SPD und nutzt das aus, um das beleidigte Drittpartei-Mütchen zu kühlen.

Wer den Ton angibt, wird hier im alten Rathaus klar. Sckerl ist deutlich aktiver und wirkt deutlich informierter. Zahlen und Zusammenhänge hat er zu allen Themen sofort parat. Und manchmal sind die Botschaften gut, manchmal nicht.

Botschaften

“Beamte müssen sich darauf einstellen, dass es in den kommenden Jahren vermutlich keine Erhöhungen gibt”, ist so ein Satz, der vielen weh tun wird. Andererseits: “Wir haben statt 800 nun 1.200 Polizeianwärter eingestellt. Im Schnitt sollen es 1.000 im Jahr sein. Wir brauchen sie dringend, denn bis 2018 gehen 50 Prozent unserer Polizisten in Rente. Wir müssen aber eine funktionstüchtige Polizei haben, die auch präsent ist”, so Sckerl, der immer seine Nähe zur Polizei betont.

Das Angebot der beiden Landtagsabgeordneten des Wahlkreises Weinheim nehmen nur knapp 30 Bürgerinnen und Bürger an – wie schade. Die Politik stellt sich hier, das sollte man nutzen.

Andererseits sollten die beiden ihr Konzept überdenken. Wünschenswert wäre ein Moderator. Wünschenswert eventuell auch ein Gast, ob Bürger oder Experte, der mit vorne sitzt. Und sehr wünschenswert wäre eine Fokussierung: Nicht alle Themen ein bisschen, sondern lieber weniger Themen und die intensiv.

Dokumentation: Winfried Kretschmann in Weinheim – Teil 4: Bildung

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Rund 250 Gäste kamen zu Winfried Kretschmann und Uli Sckerl in die Weinheimer Stadthalle. Bild: weinheimblog.de

Wir dokumentieren die Rede von Winfried Kretschmann in fünf Teilen.

Vor allem die individuelle Förderung sei richtig, sagte Winfried Kretschmann: “Wenn man keine Schätze im Boden hat, dann muss man sie im Kopf haben.”

Der Schulerfolg sei immer noch sehr abhängig vom Elternhaus: “Nichts wird das soziale Gesicht unserer Gesellschaft so sehr bestimmen, wie Bildung.”

Eltern, Lehrer, Bürgermeister, Schulgemeinschaften sollten ihre Ideen einbringen können: “Wir werden gute Ideen zulassen und nicht behindern”, und: “Es kann nicht sein, dass man in Baden-Württemberg Privatschulen gründen muss, um gute Ideen zu ermöglichen, weil das staatliche System zugenagelt ist.”

Es gebe gerade im ländlichen Raum viele Vorbehalte gegenüber Ganztagsschulen – die wolle man abbauen helfen.

Außerdem findet er es merkwürdig, dass ausgerechnet in Baden-Württemberg, “wo doch alles so toll sein soll, mit Abstand das meiste Geld für private Nachhilfe ausgegeben wird.”

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Dokumentation: Winfried Kretschmann in Weinheim – Teil 3: Innovationen

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"Vorteile für innovative Industrien", will Winfried Kretschmann, Grünen-Spitzenkandidat. Bild: weinheimblog.de

Weinheim/Rhein-Neckar, 23. März 2011. Winfried Kretschmann, Grünen-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, will Baden-Württemberg zum Top-Standort für Klimaschutz-Technologie machen. Ein “Nein” zur Atompolitik sei ein “Ja” zur regenerativen Energie.

Wir dokumentieren die Rede von Winfried Kretschmann in fünf Teilen.

In Teil 3 geht Winfried Kretschmann weiter auf Energieeffizienz ein. Deren Entwicklung sei nur möglich geworden, weil die Grünen ein entsprechendes Gesetzt geschaffen haben, so Kretschmann.

“Ein “Nein” zur Atompolitik sei ein “Ja” zur regenerativen Energie”, sagte er unter Applaus der 250 Gäste.

Den Kraftstoff E10 bezeichnet er als Debakel: “Das wurde von den Lobbyverbänden verwässert, ich empfehle einen geordneten Rückzug.”

Er will Technologien fördern, die innovativ und ressourcenschonend arbeiten: “Innovatione Industrien brauchen Vorteile gegenüber den Schmutzindustrien.”

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