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Sonntag, 10. November 2013

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Stadt spielt Kommunikationsvorteile zum eigenen Vorteil aus

Unfaire Bevorzugung – Stadt pusht Breitwiesen

Kampagne auf der Facebook-Seite der Stadt Weinheim für die Entwicklung von Breitwiesen.

Weinheim, 20. August 2013. (red) Aktualisiert. Gemeinderatsmitglieder, die gegen eine Breitwiesen-Entwicklung sind, dürften sich gekniffen fühlen. Die Stadtverwaltung spielt gnadenlos ihre Kanäle aus. Da schrecken auch ein SPD-Oberbürgermeister und ein grüner Erster Bürgermeister nicht zurück, Hand in Hand mit der CDU und einem dubiosen Unternehmerverein zusammen zu arbeiten. Über Facebook pusht der Pressesprecher Roland Kern einseitig die “Pro-Breitwiesen”-Informationen.

Von Hardy Prothmann

Am 05. August sah es noch nach einer “objektiven” Information aus. Auf der Facebook-Seite der Stadt wurde gemeldet:

Wir stellen heute Links zu den Facebook-Seiten beider Interessenvertreter zur Verfügung, damit sich jeder möglichst ausgewogen informieren kann.

Verlinkt wurden die Facebook-Seiten “Bürgerinitiative Breitwiesen Weinheim” und “Breitwiesen entwickeln“. Das mit der Ausgewogenheit war schnell vorbei.

Am 13. August verlinkte die Weinheim-Seite, verantwortlich ist der dem OB unterstellte Pressesprecher Roland Kern, wiederum ein Foto von “Breitwiesen entwickeln”. Inklusive langer Argumentation der Breitwiesen-Befürworter.

Und am 15. August legte Kern nochmals nach: Zwei Videos wurden über die Seite von “Breitwiesen entwickeln” verlinkt – einmal mit dem Oberbürgermeister Heiner Bernhard und einmal mit dem Ersten Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner. Beide sind klare Befürworter der Breitwiesen-Entwicklung.

Am 17. August wird nochmals das Video mit dem Ersten Bürgermeister verlinkt, diesmal über die Seite des CDU-Stadtrats Sascha Pröhl. Mit einem eindeutigen Kommentar versehen:

Klare Worte für den Flächentausch.

Dabei bleibt es nicht. Am 19. August bietet Dr. Fetzner eine Bürgermeistersprechstunde zum Thema an. Angekündigt wird die Aktion so:

Von 16 Uhr bis 18 Uhr beantwortet Bürgermeister Dr. Fetzner hier Fragen zum Bürgerentscheid über die Gewerbeentwicklung in Weinheim und den Flächentausch vom Hammelsbrunnen am Krankenhaus hin zu Breitwiesen an der Autobahn.

Die Zusätze sollen eindeutig manipulieren: “Hammelsbrunnen am Krankenhaus” – “Breitwiesen an der Autobahn”.

Dabei haben die Breitwiesen-Unterstützer ein Legitimationsproblem. Während die Bürgerinitiative “Schützt die Weinheimer Breitwiesen” einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung hat – es konnten beispielweise fast 5.000 Stimmen gegen den Flächentausch gesammelt werden, gibt es keine proaktive Initiative für die Entwicklung von Breitwiesen.

Trotzdem gibt es natürlich “interessierte Kreise” und die tun so, als ob sie Bürger/innen repräsentieren – allerdings ohne jemals persönlich Flyer verteilt, Info-Stände angeboten, Info-Veranstaltungen organisiert oder Stimmen gesammelt zu haben.

Gezielte Beeinflussung der öffentlichen Meinung

Neben der Website “www.breitwiesen-entwickeln.de” gibt es die Seiten “www.zukunft-in-weinheim.de” und “www.zukunft-fuer-weinheim.de”. Besitzer der Adressen mit dem jeweils gleichen Inhalt ist Roger Schäfer, Inhaber einer Werbeagentur und CDU-Stadtverbands-Vorsitzender. Herr Schäfer ist auch Produzent der Videos mit OB Bernhard und Dr. Fetzner. Auftraggeber, so Herr Schäfer, sei die Vereinigung Weinheimer Unternehmer (VWU). Deren Vorsitzender ist Dr. Peter Schuster. Herr Dr. Schuster wiederum wird als inhaltlich Verantwortlicher der Websites und der dazu gehörenden Facebook-Seiten genannt.

Wer wiederum die VWU genau ist? Das bleibt rätselhaft. Intransparenter kann man fast nicht auftreten. Hier gibt es keine Website und als Adresse wird die Privatanschrift von Dr. Schuster genannt. Herr Dr. Schuster ist ebenfalls Mitglied im Stiftungsrat der Bürgerstiftung Weinheim – ebenso die SPD-Stadträtin Uschi Heil und der Freie Wähler-Stadtrat Dr. Ditmar Flothmann.

Der städtische Bedienstete Roland Kern, der sich gern noch als “Journalist” bezeichnet, obwohl eindeutig abhängiger Dienstbote seines Chefs OB Bernhard, wendet einen Trick an, um die Pro-Breitwiesen-Inhalte auf die Facebook-Seite der Stadt zu bringen, die mit aktuell 6.329 Fans eine große Reichweite hat: Er postet nicht selbst, sondern verlinkt Postings anderer Seiten. Das soll wie ein “Hinweis” aussehen, ist aber gezielte PR und im Ergebnis kein Unterschied zu einem eigenen Posting. Das ist auch die Aufgabe von Herrn Kern – gezielt die Öffentlichkeit im Sinne des OB zu “informieren”. Man könnte es auch manipulieren nennen. Verlinkungen zur “anderen Seite” sind so gut wie keine vorhanden.

(Anm. d. Red.: Der angebliche “Journalist” Kern sollte dringend überlegen, ob er diese Berufsbezeichnung weiter führen will – er beschädigt damit jeden echten, unabhängigen Journalismus. Die Berufsbezeichnung ist ungeschützt, weswegen sich Hinz und Kunz Journalist nennen können, auch wenn sie in Wirklichkeit alles machen, nur nicht unabhängig informieren.)

Erstaunlich ist, dass “ideologische” Unterschiede in dieser Allianz keine Rolle spielen. Erstaunlich ist auch, dass der Gemeinderat, immerhin Hauptorgan der Stadt, das mit sich machen lässt. Oder vielleicht auch nicht – die Mehrheit im Gemeinderat ist ja für die Entwicklung Breitwiesen. Insofern wird die propagandistische Unterstützung durch den Pressesprecher Kern vermutlich sogar begrüßt.

Nützlich und positiv – für den OB

Weinheimer Bürger/innen sollte aber klar sein, dass die städtischen Informationen nicht neutral sind, wozu die Stadt als Behörde eigentlich verpflichtet ist, sondern gezielt Meinungen zu manipulieren versuchen. Was im Sinne der Stadt, also des OB, ist, wird beworben und positiv dargestellt. Was als negativ empfunden wird – beispielsweise auch unsere kritische Berichterstattung – wird einfach ignoriert und nicht verlinkt. Wer sich also über Facebook über das Geschehen in der Stadt informieren will, hat gelitten – er bekommt nur die “positive Seite” mit.

Diese Strategie ist leider die konsequente Fortsetzung der gezielten Übervorteilung der Bürger/innen und zeigt, welcher Wesenskern dahintersteht: Man will mit allen Mitteln seine Ziel erreichen. Eine ordentliche Bürgerinformation stört da ebenso wie eine ordentliche Bürgerbeteiligung. Und wenn sich beides nicht vermeiden lässt, tut man halt so, als ob.

So wurde zunächst der Bürgerwille einer ersten Unterschriftenliste vom OB nicht anerkannt. Ebensowenig das Bürgerbegehren. Erst auf Druck kam es zu einem Dialogforum für teures Geld (40.000 Euro). Das Ergebnis wurde pro Breitwiesen zu deuten versucht – erst nach dem Widerstand der Beteiligten, wurde eine neutrale Darstellung erreicht. Dann wurde der Bürgerentscheid mit einer neuen Fragestellung beschlossen – nicht der der Bürgerinitiative. Dann wurde versucht, die “Informationsbroschüre” möglichst zum Vorteil des OB auszunutzen und im letzten Kapitel “vernetzt” man sich mit “Freunden” und verlinkt, was zur eigenen Meinung passt – der Rest wird ausgeblendet. Auch für die Bürger/innen.

Oberbürgermeister Heiner Bernhard hat gegenüber uns die Auskunft gegeben, dass die Facebook-Seite die Aufgabe hätte, nützliche und positive Dinge zur Stadt Weinheim darzustellen. Damit hat er wiederum entschieden, dass Breitwiesen “nützlich und positiv” ist. Ob das die Bürger/innen auch so sehen, sollen sie am 22. September 2013 per Bürgerentscheid deutlich machen. Bis dahin wird massiv versucht werden, die Sichtweise des OB zur Sichtweise der Bürger/innen zu machen.

Ergänzung, 18:53

Der Pressesprecher Roland Kern hat auf Facebook unseren Beitrag kommentiert:

Was bitte soll unanständig daran sein, wenn die Pressestelle einer Kommune die Position der Verwaltung und der Gemeinderatsmehrheit vertritt? Das ist ihre Aufgabe! Aber man muss vielleicht nicht alles verstehen . . .

Herr Kern findet die Antwort in der Gemeindeordnung, die ihm nicht sonderlich geläufig zu sein scheint:

GemO §21, (5)

Wird ein Bürgerentscheid durchgeführt, muß den Bürgern die innerhalb der Gemeindeorgane vertretene Auffassung dargelegt werden.

Die Mehrheit des Gemeinderats keine andere Auffassung nach außen vermittelt, als dass die Bürger/innen entscheiden sollen.
Das andere Organ ist der Bürgermeister oder im Fall Weinheim OB und Erster Bürgermeister. Die sind für die sachgerechte Erledigung der Weisungsaufgaben verantwortlich. In dieser Verantwortung sollte Herr Kern zu sachgerechten Erfüllung seiner Aufgaben als Gemeindebediensteter aufgefordert werden.

So hat das Hauptorgan der Gemeinde, der Gemeinderat, beschlossen, dass die Verwaltung, die Fraktionen sowie die BI ihre Haltungen darstellen dürfen und die Ergebnisse der Bürgerräte dargestellt werden. Wenn Herr Kern jetzt denkt, er könne das konterkarieren, indem er ganz überwiegend nur die Organe Bürgermeister darstellt, sollte es dringend einen Ordnungsruf geben, weil er das Verfahren beschädigt, indem er gegen die Gemeindeordnung handelt. Im Zweifel könnte dieses Verhalten auch zu juristischen Konzequenzen führen.

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  • weinheimerin

    Ich habe nie verstanden, warum Kern sich ständig als “Journalist” bezeichnet. Er ist PR-Mann und macht Auftragskommunikation für die Stadt. Das ist legitim – hat mit Journalismus aber nichts zu tun. Ist so ein bisschen wie Pharma-Lobbyist, der sich als “Arzt” ausgibt… Bekennen Sie Farbe, Herr Kern!

    • Zielke

      Roland Kern macht im Prinzip einen guten Job für die Stadt, das sieht man immer wieder. Im Fall Breitwiesen ist er eben der Sprecher seines Herrn. Ober sticht Unter…

      Eindeutig auf seine Kappe geht allerdings der Flop mit schwachen Imagevideo bei Youtube (Hoffentlich längst vergessen und gelöscht). Da hätte er als “Journalist” einschreiten müssen und den Verantwortlichen beim Stadtmarketing klarmachen müssen, dass es so nicht geht!