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Montag, 26. August 2013

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Experten von BUND und NABU beurteilen Teilflächennutzungsplan der Stadt

Windenergie vs. Tier- und Naturschutz

Weinheim, 14. Januar 2013. (red/aw) Wenn es um Windkraftanlagen in Weinheim geht, dann ist die Bevölkerung geteilter Meinung. Die einen befürworten, die anderen kritisieren. Die Stadtverwaltung ist bemüht, eine öffentliche Diskussion zu führen und die Meinung der Bürgerinnen und Bürger mit einzubeziehen. Auch die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes sind zu berücksichtigen. Bei einer Informationsveranstaltung am vergangenen Freitag wurden erste Einschätzungen von Experten präsentiert: In mehreren der ausgewiesenen Freibereiche besteht eine Gefährdung durch Windräder insbesondere für verschiedene Vogel- sowie Fledermaus-Arten.

Von Alexandra Weichbrodt

Der Erste Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner staunte nicht schlecht als er sah, wie viele Weinheimerinnen und Weinheimer sich im Bürgersaal des alten Rathauses einfanden, um der Informationsveranstaltung beizuwohnen. Die Stadtverwaltung wollte noch einmal ganz bewusst Experten und Betroffene ihre Sicht der Dinge in Sachen Windenergie erläutern lassen. Der Schwerpunkt des Abends lag auf den Erkenntnissen der Natur- und Landschaftsschützer.

Eingeladen waren hierzu Dietmar Matt vom Naturschutzbund (NABU), Siegfried Demuth vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Land- und Fortswirt Philipp Jungmann. Alle drei Referenten leben in Weinheim und kennen daher die betroffenen Gebiete.

Jegliche Erzeugung von Energie greift in die Natur und Landschaft ein,

stellt Siegfried Demuth gleich zu Beginn seines Vortrages klar. Allerdings sei die Gewinnung von Energie durch Windkraftanlagen noch vergleichsweise schonend für die Umwelt. Im Gegensatz zu anderen Formen der alternativen Energiegewinnung haben Windkraftanlagen “praktisch keine Auswirkungen auf das Weltklima”. Die Stadt Weinheim müsse nur die günstigsten Gebiete aussuchen, unter Berücksichtigung der Natur- und Landwirtschaft versteht sich.

“Windenergie hat praktisch keine Auswirkungen auf das Weltklima.”

Im Windenergieerlass des Landes Baden-Württemberg sind bereits einige Bedingungen für die Aufstellung von Windkraftanlagen festgelegt. Bestimmte Flächen werden hier von vornherein als Tabuzonen ausgewiesen, etwa weil sie Naturschutzgebiete sind. Die Aufgabe des Diplom-Biologen Demuth bestand nun darin, die Freibereiche 1 bis 6 unter den Aspekten des Natur- und Umweltschutz zu begutachten und zu bewerten. Sein Ergebnis: Bei mindestens zwei Gebieten kommt es zu Problemen.

Vorentwurf der Stadt Weinheim: “Flächenanalyse zur Steuerung von Standorten für Windenergieanlagen im Stadtgebiet”

 

Besonders die Flächen am Eichelberg in Ober-Flockenbach und rund um den Hirschkopfturm in Nähe der Burgen sind aus Sicht des Experten problematisch, da hier teilweise geschütze Biotope angesiedelt sind. Auch im Bereich der Bergstraßen-Rheinebene könne es zu Problemen kommen, hier wurden immer mal wieder Störche gesichtet.

Die anderen Gebiete sind aus Sicht des BUND-Ortsgruppen-Vorsitzenden “in Ordnung”. Die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Natur seien hier deutlich geringer. Siegfried Demuth befürwortet die Aufstellung von Windkraftanlagen grundsätzlich und nennt für die “Problemzonen” Alternativen.

Problemgebiete durch Alternativflächen ersetzen

Der Steinberg, westlich der Ursenbacher Höhe, sowie das Gebiet rund um den Weinheimer Kopf würden sich als Alternativen anbieten.

Die Gebiete seien zum Teil bereits erschlossen und versiegelt. Im Vergleich zu den Freibereichen am Eichelberg und am Hirschkopfturm würde hier ein vergleichsweise geringer Eingriff in die Natur erforderlich sein. Darüber habe er die Stadtverwaltung informiert, mit der Bitte diese Gebiete als mögliche Standorte für Windkraftanlagen zu prüfen.

Die Referenten des Abends (v.l.n.r.): Philipp Jungmann, Siegfried Demuth, Dietmar Matt, Dietmar Schmittinger, Dr. Alexander Boguslawski.

 

Der Hobby-Ornithologe und ehemalige Vorsitzende der Ortsgruppe des NABU in Weinheim, Dietmar Matt, besichtigte die ausgewiesenen Freibereiche ebenfalls. Allerdings lag sein Augenmerk auf möglichen Folgen von Windkraftanlagen für die Tierwelt.

Der NABU Weinheim begrüßt die Haltung der Stadt zur Energiewende,

stellte Matt zu Beginn klar. Allerdings beinhalte die Planung “zu viel Politik und zu wenig Biologie sowie Ökologie”. Die biologischen und ökologischen Aspekte müssten aus seiner Sicht stärker berücksichtigt werden.

“Zu viel Politik, zu wenig Biologie.”

Beim Betrachten der potentiellen Flächen sei deutlich geworden, dass besonders Vögel und Fledermäuse unter Windkraftanlagen leiden würden. Ihre Lebensräume sowie ihre Existenz seien durch Windkraftanlagen besonders gefährdet.

Windkraftanlagen können Vögel und Fledermäuse gefährden oder vertreiben. Brut- und Rastplätze gehen möglicherweise verloren.

Dietmar Matt brachte Anschauungsmaterial mit: Rotmilan, Weißstorch und die Baumfledermaus – diese Arten sind u.a. durch Windkraftanlagen gefährdet.

Matt erläutert das Tiervorkommen für alle der sechs ausgewiesenen Flächen. Überall gibt es seiner Meinung nach Tiere, auf die Rücksicht genommen werden muss. So sei u.a. der Freiebereich 1 in Hemsbach und Laudenbach Nahrungshabitat für den Greifvogel Rotmilan und Brutstätte des Weißstorchs. Im Freibereich 3 bestehe eine große Gefahr unterhalb der Vogesenschau, besonders für die dort ansässigen Baumfledermäuse.

Von Windkraftanlagen gehe für Flugtiere ein besonderes Kollisionsrisiko aus. Durch die Rotorenblätter der Anlagen sind die Tiere akut gefährdet. Aber auch ein “Meideverhalten” von Gebieten mit Windkraftanlagen durch andere Tiere, wie Hasen, Libellen oder Käfern könne man nicht ausschließen, so Matt.

Abwägen, ob Gefährdung der Tiere zu rechtfertigen ist.

Doch man müsse eben abwägen, findet Siegfried Demuth:

Können wir die Gefährdung der Tiere rechtfertigen?

Ja, finden einige Anwesende. Mit dem Auto töte man ja auch tagtäglich Tiere, das seien eben Kollateralschäden die in Kauf genommen werden müssten, findet eine Dame. Dietmar Schmittinger vom Stadtentwicklungsamt berichtet in diesem Zusammenhang von Windkraftanlagen, die ihren Betrieb auch zeitweise einstellen könnten:

Um so, in den Flugzeiten von Vögeln oder auch Fledermäusen das Risiko zu minimieren.

Ob dass dann für den Investor noch wirtschaftlich tragbar sei, sei nicht bewertungsrelevant für das Planungsverfahren. Ebenso wenig, wie das Windaufkommen in Weinheim. Darüber müsse der Investor eigene Gutachten erstellen.

Um alle Aspekte in Bezug auf den Tierschutz berücksichtigen zu können, empfiehlt Dietmar Matt der Stadtverwaltung die Einrichtung eines Arbeitskreises für den “Artenschutz und Windkraftanlagen”.

“Ohnehin zu wenig landwirtschaftliche Flächen”

Auch der Milchkuhbauer und Biogasanlagen-Betreiber Philipp Jungmann zeigte sich grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber Windkraftanlagen, sieht aber Probleme in der Flächenausweisung:

Ich persönlich würde die Nutzung von Forstflächen bevorzugen, da landwirtschaftliche Flächen ohnehin rar sind.

Dies sei jedoch seine ganz persönliche Meinung. Jeder Landwirt habe da andere Interessen. Für Jungmann selbst wäre wichtig, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. Dafür erhält er Applaus der Anwesenden.

Im Anschluss an die Vorträge der Referenten eröffnet Dr. Alexander Boguslawski die Diskussions- und Fragerunde. Und obwohl Dietmar Schmittinger vom Weinheimer Stadtentwicklungsamt zu Beginn die aktuelle Ausgangsituation noch einmal erläutert hatte, wurde die Frage, ob denn überhaupt potentielle Flächen ausgewiesen werden müssen, im Laufe des Abends immer wieder thematisiert.

Diskussion endet erneut in Grundsatzfrage

Dabei ist die Frage, ob Windenergie nach Weinheim kommt längst geklärt. Sie kommt. Es geht nun viel mehr darum wohin. Und wie die Stadt, die Standorte möglichst selbstbestimmt steuern kann. (Anm. der Red.: Wir berichteten.)

Die Diskussionsrunde wurde schnell hitzig. Allerdings nicht wegen des Tierschutzes, sondern wegen der Grundsatzfrage: Windkraft – Ja oder Nein?

 

Die Veranstaltung sollte ursprünglich dazu dienen, die von der Stadtverwaltung ausgewiesenen Freibereiche des Teilflächennutzungsplans aus Sicht der Natur- und Tierschützer zu analysieren. Es wäre toll gewesen, wenn die vielen Anwesenden auch tatsächlich aus Interesse am Tier- und Naturschutz gekommen wären. Leider war dem nicht so. Einige Wenige haben nach wie vor nicht verstanden, was die Stadtverwaltung mit ihrer Steuerungsplanung bezwecken will.

Auf Vorschläge aus dem Publikum, doch einfach alle Gebiete auszuschließen und so die gesetzlichen Bestimmungen zu umgehen, musste Dr. Fetzner noch einmal erläutern, dass die Stadt in einer deutlich schlechteren Position wäre, würde sie keine Flächen finden und ausweisen.

So entsteht am Ende erneut eine hitzige Diskussion zur Grundsatzfrage “Windenergie: Ja oder Nein?”  und der Naturschutz rückt in den Hintergrund. Trotzdem sind die Erkenntnisse der Experten wichtig und werden in den Planungsprozess mit einbezogen.

Nun müssen wir anhand der Aspekte des Natur- und Landschaftsschutzes das für und wider abwägen,

schloss Dr. Torsten Fetzner die Veranstaltung.

Aktive Bürgerbeiteiligung vor Ort

Die Bürgerbeteiligung geht währenddessen mit Vor-Ort-Terminen in die nächste Runde. Zunächst am Samstag, 19. Januar, an der Kolpingscheuer nahe der Bertleinsbrücke von 13 Uhr bis 14.30 Uhr, dann im Ortsteil Rippenweier an der Keltensteinhalle von 15 Uhr bis 16.30 Uhr. Von beiden Orten aus kann man mögliche Standorte für Windkraftanlagen einsehen. Vorgesehen sind die Präsentation von Visualisierungen, Erläuterungen der maßgeblichen Tabukriterien und der Ergebnisse des Artenschutzgutachtens. Natürlich stehen die Stadtplaner und Experten auch hier für Fragen, Hinweise und Anregungen zur Verfügung. Ein Bustransfer vom Rathaus (Haltestelle Schlossparkplatz), Abfahrt 12.30 Uhr, wird kostenfrei von der Stadt Weinheim angeboten. Ankunft ist circa um 17 Uhr am Rathaus.

Den Vor-Ort-Terminen folgt eine Bürgerwerkstatt am Freitag 25. Januar in der Aula des Werner-Heisenberg-Gymnasiums von 16.30 Uhr bis 19 Uhr. Nach einer Zusammenfassung der Ergebnisse soll dort in Kleingrupppen gearbeitet werden. Bis jetzt sind folgende Themen angedacht: Schutz der Landschaft, Naturschutz, Nutzung und Eigentum, Nachbarschaft zu den Flächen, Klimaschutz und Energiewende, Projektentwickler und Investoren. Weitere Gruppen können folgen. Danach diskutieren die Vertreter der Gruppen vor dem Plenum ihre zuvor ausgearbeiteten Thesen. Die komplette Bürgerwerkstatt wird protokolliert und Gemeinderat wie Verwaltung als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt.

Moderation von Kommentaren

Die Moderation liegt bei der Redaktion. Für uns steht fest: Kritische Diskussionen sind erwünscht, persönliche Beleidigungen hingegen werden entfernt. Wie wir moderieren steht in der Netiquette.

  • http://www.windparkbirkenau.de Sven Semel

    Vor allem sollten vor entsprechenden Entscheidungen neben dem Naturschutz und der Zuwegung auch noch alle anderen Randbedingungen geklärt werden.

    Aussagen wie “Dabei ist die Frage, ob Windenergie nach Weinheim kommt längst geklärt. Sie kommt.” treiben mir die Zornesröte ins Gesicht. Wie kann man das postulieren ohne die genauen Standorte festgelegt, und auch ausführliche Messungen der Windgeschwindigkeiten vor Ort gemacht zu haben? Windkraftanlagen an Standorten ohne ausreichende Windgeschwindigkeiten sind stets ein zu großer Eingriff in die Natur oder die Belange der Anwohner. Solche Anlagen dienen nicht der Energiewende, sondern ausschließlich über die Subventionen den Betreibern, bezahlt von allen Stromkunden.

    Der vordere Odenwald ist eines der windschwächsten Gebiete in Deutschland. Schon anhand von Kartenmaterial des Wetterdienstes ist zu sehen, das der Ertrag einer WKA in unserer Gegend nicht gerade üppig ausfallen wird. Professionelle Messungen wie sie z.B. Bürger in Birkenau momentan durchführen lassen, zeigen selbst in der windstarken Zeit im Herbst und Winter durchschnittliche Geschwindigkeiten deutlich unter 4 m/s. Laut Herstellerangaben beträgt die dann erzeugte elektrische Leistung bestenfalls 5-10% der Nennleistung. Wir reden also nicht mehr von Megawatt, sondern Kilowatt. D.h. der Beitrag zur Energiewende ist hier minimal. Die Frage die sich alle Verantwortlichen stellen sollten ist also ob der Eingriff in die Natur und die Beeinträchtigung von Anwohnern und Immobilieneigentümern gerechtfertigt sind, angesichts von äußerst mageren Ertragsaussichten. Die Betreiber sind i.d.R. über Versicherungen und das EEG abgesichert, egal ob und wie stark der Wind weht.

    Eine Energiewende kann nur funktionieren wenn tragfähige Konzepte umgesetzt werden, WKAs die sich wirtschaftlich nur rechnen wenn die Subventionen fließen sind kein Beitrag zur Energiewende, sondern lediglich ein selbstbedienungsladen für Subventionsjäger auf kosten der Bürger.

    Mehr (auch detaillierte Meßergebnisse) kann der interessierte Leser auf http://www.windparkbirkenau.de nachlesen, aufgrund der räumlichen Nähe zu Weinheim zumindest ein Hinweis auf die Windgeschwindigkeiten in Weinheim bzw. dessen Ortsteilen.