"));

Samstag, 31. August 2013

« »
Interview zu Social Media in Kommunen

Hölderle & Fuchs: “Die wirkliche Einbindung der Bürger wird noch zu selten vorgenommen”

Weinheim, 27. Oktober 2012. (red/cm) Brauchen Kommunen eine Social Media Präsenz und worauf muss dabei geachtet werden. Wir haben uns mit Martin Fuchs & Jona Hölderle von “Bürger & Freunde” über den Einsatz von Social Media in Kommunen und dessen Möglichkeiten unterhalten.

Von Christian Mühlbauer

Damit sich unsere Leser ein Bild machen können: Was genau versteht man eigentlich unter Social Media für Kommunen? Ist damit nur eine Facebook-Fanseite gemeint?

Hölderle & Fuchs: “Facebook ist zwar mit knapp 1 Milliarde weltweit angemeldeter Nutzer mit Abstand das größte soziale Netzwerk – aber nicht alles. Es gibt zusätzlich noch regionale Netzwerke (z.B. wer-kennt-wen.de), Business-Netzwerke (Linked-In, XING), auf bestimmte Services spezialisierte Netzwerke (z.B. flickr für Fotos) und vieles Mehr. Zudem kann auch die Verwaltung eigene soziale Medien bereitstellen wie z.B. ein Beschwerdemanagement (Märker Brandenburg), Blogs oder Wikis.

(Hinweis zur Übersicht auf Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_social_networking_websites oder zum bekannten Social Media Prisma von ethority: http://www.ethority.de/weblog/social-media-prisma/)

Allgemein versteht man unter Social Media digitale Medien und Technologien, die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu gestalten.
Also die Abkehr von den Massenmedien, die man „nur“ konsumieren“ kann hin zu medialen Diensten in denen jeder Nutzer selber Produzent werden kann.

Beim Einsatz ist immer entscheidend für was man die Netzwerke nutzen möchte. Erst wenn geklärt ist, welche Strategie man umsetzen möchte und welche Zielgruppe erreicht werden sollen kann man entscheiden ob und welche Netzwerke man nutzen möchte. Dies gilt für jeden Nutzer und speziell für Kommunen. Oft entsteht aktuell der Eindruck, dass die Verantwortlichen erst aktiv werden (weil es gerade Trend ist) und dann überlegen für was man die Netzwerke nutzen kann.”

Wenn eine Stadt oder Gemeinde im Bereich Social Media präsent sein will, ist das doch sicherlich aufwändig? Welche Kosten können da entstehen?

Hölderle & Fuchs: Die Frage nach den Kosten ist schwer zu beantworten. Die alleinige Nutzung der Dienste ist in den meisten Fällen für Städte und Kommunen kostenfrei. Selbstverständlich benötigt man personelle Ressourcen für die Betreuung der Netzwerke und eventuell Beratung und (technischen) Support.

In den meisten deutschen Kommunen wir Social Media bisher von der Pressestelle oder dem Stadtmarketing mit betreut. Für eine erfolgreiche Präsenz einer Kommune rechnen wir von 1-2 Stunden am Tag bei einem Basisangebot bis zur Schaffung einer eigenen Stelle bei der umfangreichen Nutzung von sozialen Netzwerken.

Die Facebook-Präsenz der Stadt Mannheim dient nahezu ausschließlich Werbezwecken. Bürgerdialog muss man suchen.

Unabhängig der Kostenfrage geht es natürlich auch um den Nutzen einer Social Media Präsenz für Städte und Gemeinden. Wie nützlich kann so ein Auftritt ganz allgemein sein? Wie nützt er der Stadt/Gemeinde und den Bürgern im speziellen?

Einfach mal in den Bürger “hineinhören”

Hölderle & Fuchs: Auch hier gilt: Was will ich mit der Präsenz in den Netzwerken als Stadt erreichen?

Neben zusätzlichen Effekten für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, bieten die Netzwerke die Chance mit Zielgruppen in Kontakt zu kommen, die die traditionellen kommunalen Kommunikationsangebote (Stadtanzeiger, Bürgersprechstunde) nicht erreichen. So z.B. mobile Einwohner, Jugendliche, Touristen (weltweit), Investoren oder auch Personengruppen die nie persönlich in ein Rathaus gekommen wären.

Der Verwaltung bieten die Netzwerke zudem die kostengünstige Möglichkeit in die „Bürgerschaft“ hineinzuhöhren. Also was bewegt die Einwohner meiner Stadt, was wünschen diese sich von der Verwaltung. Welche Ideen kommen aus der Bürgerschaft, die die Stadt lebenswerter machen?

Die Effekte können abhängig von der Strategie vielfältig sein:

  • Lokale Identitätsstiftung und verstärkter Zusammenhalt.
  • Erhöhung des Servicefreundlichkeit, durch eine einfache Kontaktaufnahme zu Verwaltung und Erklärung des Verwaltungshandeln.
  • Interne Vernetzung der Akteure einer Stadt.
  • Einbindung von Bürger in Entscheidungen.
  • Vorbereitung von Beteiligung

Umdenken in der gesamten Verwaltung – nicht nur beim Bürgermeister

Betrachtet man diverse Social Media Auftritte von Kommunen sind es häufig kostenlose Werbeflächen. Ist dass das Selbstverständnis des Social Media Einsatzes für Kommunen? Was sollten Städte & Gemeinden hier anbieten?

Die Stadt Weinheim zeigt, dass es auch anders geht. Werben für eigene Projekte, aber auch den Dialog suchen.

Hölderle & Fuchs: Der erste Schritt vieler Kommunen ist in der Tat oft von der Pressearbeit getrieben. Die Netzwerke werden dabei als weiterer Kanal für die Botschaften einer Stadt genutzt. Das spannende an Social Media ist aber der Rückkanal. Also was kann ich aus dem Feedback meiner „Fans“ und „Follower“ lernen.

Die reine Beschränkung auf das teilen von Inhalten, die an anderer Stelle (z.B. auf der Webseite) schon existieren greift zu kurz und blendet viele Möglichkeiten des Dialoges aus.

Für den richtigen Dialog erfordert es allerdings Mut und gelebter kultureller Wandel auf Seiten der Stadt. Die Kommune muss sich daran gewöhnen, dass via Social Media eine Kommunikation auf Augenhöhe erfolgt. Und dies erfordert ein Umdenken nicht nur beim Bürgermeister.

Wenn wir über Kommunen reden, geht es um Gemeinden mit wenigen Tausend aber auch um Städte mit 40.000 Einwohnern. Gibt es hier einen Unterschied beim Angebot und der Betreuung des Social Media Angebots? Worin unterscheiden sich kleine von großen Städten im Bereich Social Media?

Hölderle & Fuchs:Die Größe einer Kommune ist im Grunde egal für die Gestaltung des Angebotes. Einziger Unterschied kann allerdings die Quantität des auflaufenden Feedbacks sein, das von den Betreuern eines sozialen Netzwerkes bearbeitet werden muss.

Man wird aber auch über das größte und meist genutzte Netzwerk immer nur einen Teil seiner Bürger erreichen. Und man erreicht im Zweifelsfall auch nur die wirklich aktiven Bürger einer Gesellschaft. Dies können in einer kleinen Stadt nur wenige 100 Menschen sein, aber diese sind die Impulsgeber mit denen die Verwaltung im Dialog stehen sollte. Aus unserer Sicht ist eine kleine Community mit sehr aktiven Bürgern immer besser als eine Facebookseite mit 1 Million „Gefällt mir“, die aber nicht mit der Stadt interagiert.

Im Einzugsgebiet der Rheinneckarblogs befindet sich auch die Stadt Mannheim oder Ludwigshafen. Deren Facebook-Präsenzen (Mannheim, Ludwigshafen) werden von einem Stadtmarketing-Verein gesteuert. Ist das die übliche Vorgehensweise oder wäre es sinnvoller, wenn die Stadtverwaltung solche Angebote selbst betreibt?

Bürgereinbindung noch viel zu selten

Hölderle & Fuchs:Wenn der Fokus der Facebook-Präsenzen auf dem reinen Stadtmarketing liegt ist dies der richtige Ansatz die Präsenzen dort anzusiedeln. Sobald aber auch Themen wie Bürgerbeteiligung, Ansprache der eigenen Bürger und Aktivierung bestimmter Zielgruppen via Facebook angegangen werden sollen empfehlen wir den Aufbau eines Redaktionsteams, dass möglichst breit im Rathaus verwurzelt ist. Gerade das Rückspielen der Themen von Facebook in die eigene Verwaltung und die Umsetzung bestimmter Diskussionsergebnisse wird erleichtert wenn die betreffenden Mitarbeiter der Stadt bereits in die Facebook-Kommunikation eingebunden sind.

Wie steht es um die Entwicklung von Social Media in Kommunen?

Hölderle & Fuchs:Immer mehr Kommunen starten eigene Angebote in sozialen Netzwerken. Dabei steht oft das Stadtmarketing im Vordergrund. Die wirkliche Einbindung der Bürger wird auch unserer Sicht noch zu selten vorgenommen.

Durch die Diskussionen rund um die Frage nach einem Datenschutzkonformen Einsatz sozialer Medien insbesondere innerhalb der Verwaltung sind einige Angebote dabei erst verzögert gestartet.

Auf Pluragraph.de (https://pluragraph.de/categories/kommunen) haben wir ein tagesaktuelles quantitatives Ranking mit über 700 Kommunen in sozialen Netzwerken aufgelistet. Viele Kommunen haben aber gerade erst gestartet und sind noch dabei ihren Weg zu finden.
Es gibt aber in jedem Bundesland positive Beispiele.

Information: Martin Fuchs & Jona Hölderle arbeiten als Berater bei “Bürger & Freunde“. Dabei handelt es sich um einen der ersten Beratungsdienste, die sich auf Social Media im öffentlichen Sektor spezialisiert hat.

Moderation von Kommentaren

Die Moderation liegt bei der Redaktion. Für uns steht fest: Kritische Diskussionen sind erwünscht, persönliche Beleidigungen hingegen werden entfernt. Wie wir moderieren steht in der Netiquette.