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Sonntag, 10. November 2013

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Stuttgart 21: Gemeinden im Wahlkreis Weinheim stimmen für den Ausstieg

Rhein-Neckar, 27. November 2011. Die zehn Gemeinden im Wahlkreis 39 (Weinheim) haben überwiegend für das Ausstiegsgesetz und damit gegen Stuttgart 21 gestimmt. In acht von zehn Gemeinden waren die Menschen mehrheitlich gegen das Milliardenprojekt. Auch die Wahlbeteiligung (42,6 Prozent)  lag mit rund 3,7 Prozentpunkten über dem Durchschnitt des Rhein-Neckar-Kreises von 38,92 Prozent, aber unter dem Landesdurchschnitt von 48,8 Prozent. Der Wahlkreis Weinheim liegt zwar weitab von Stuttgart, trotzdem war die Ablehnung des Bahnhofsprojekt deutlich. Dafür gibt es Gründe.

Von Hardy Prothmann

“Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger im Wahlkreis ist für den Ausstieg”, sagte der Grüne Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl kurz nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf unsere Anfrage: “Wir konnten die Bürger mit unseren Argumenten mehrheitlich überzeugen.”

Das ist für seinen Wahlkreis zutreffend. Auch bei der Landtagswahl hatte Sckerl hier deutlich hinzu gewonnen, während sein Kontrahent Georg Wacker in dem bislang eher “schwarzen” Wahlkreis verloren hat, ebenso der SPD-Abgeordnete Gerhard Kleinböck.

Uli Sckerl sieht dafür eindeutige Gründe: “Der Verkehr ist bei uns ein großes Thema und die Leute wissen, dass die Kassen knapp sind und das Geld, was in Prestige-Objekte wie Stuttgart 21 gesteckt wird, hier bei uns fehlt. Das ist ein absolut regionales Abstimmungsergebnis bei uns.”

Hinzu kommen aktuelle Projekte, viele Versprechungen und wenig Lösungen, die die früher herrschenden CDU-Mehrheit “besorgt” hat. “Die Menschen sind kritischer, informieren sich im Internet und sicher haben die “Prothmann-Blogs” ihren Anteil durch kritische Berichterstattung.”

Das hören wir gerne und teilen – wenig überraschend – diese Auffassung. Natürlich ist es aber nicht unser Angebot allein, über das sich die Menschen im Wahlkreis zunehmend informieren.

Denn die Stuttgart 21-Bewegung insgesamt ist ohne Internet und Mobilfunk nicht vorstellbar. Über Jahrzehnte unterstützte die gesammelte konservativ-publizistische Macht, oft in heillose Abhängigkeiten verstrickt, die CDU-Politik. Obwohl diese einseitige “Stimmungsmache” bis heute viele Menschen prägt, verliert sie deutlich und zusehends ihren Einfluss.

Angebote wie fluegel.tv kann man auch in Weinheim oder Ladenburg sehen. Der Schriesheimer findet außerhalb der Zeitungswelt gerade im Internet andere Informationen, als die, die oft “gefiltert” in der Zeitung landen. Zudem tauschen sich die Menschen per email, Chat oder in Foren aus. Und bilden sich ihre eigene, umfangreiche Meinung.

“Für die erste Volksabstimmung in Baden-Württemberg ist eine Wahlbeteiligung um die 40 Prozent (Wahlkreis Weinheim) auch sehr ordentlich”, äußerst sich Uli Sckerl gemeinsam mit dem “Bergsträßer Bündnis “Ja zum Ausstieg aus Stuttgart 21″ in einer Pressemitteilung unmittelbar nach der Wahl.

Stimmt das? Jein ist die richtige Antwort. Sicherlich trägt dazu bei, dass Stuttgart weit weg ist – trotzdem ist die Beteiligung höher als im Rhein-Neckar-Kreis insgesamt. Das Verkehrsthema ist omnipräsent – Probleme beim S-Bahn-Ausbau, die Unsicherheit über die ICE-Neubaustrecke und teils miserable Busanbindungen sind Thema bei den Menschen. Man hätte sich trotzdem eine höhere Abstimmung gewünscht – andererseits ist der Wahlkreis eher konservativ und die klare Positionierung hat gezeigt, dass “Hinterzimmer-Politik” auf Kosten des Steuerzahlers längst nicht mehr gewinnt.

Hinzu kommen die neuen Informationsmöglichkeiten und natürlich auch unser kritischer Journalismus, der zum Beispiel das Gemauschel von CDU und RNZ aufgedeckt hat und immer wieder eine fehlende oder fehlerhafte Berichterstattung in anderen Zeitungen thematisiert, Aussagen von Politikern nachrecherchiert, kritisch prüft und meinungsstark veröffentlicht.

Ehemals glorreiche Projekte wie das “100-Millionen-Euro-Projekt” “Pfenning” kommen nicht mehr so einfach durch wie früher. Denn es gibt kritische Nachfragen und fundierte Recherchen führen zu Zweifel, ob diese Projekte alle so gut sind, wie sie verkauft werden. In Hirschberg war es der Sterzwinkel in Weinheim ist der Konflikt um die Breitwiesen entfacht. In Ladenburg haben die Menschen gelernt, dass große Industrien große Gewerbesteuerbeiträge zahlen und dann plötzlich nichts mehr, mit massiv-negativen Folgen für den kommunalen Haushalt.

58,8 Prozent für Stuttgart 21 gegenüber 41,2 Prozent für den Ausstieg sind ein klares Ergebnis. Die Mehrheit hat sich für den Weiterbau ausgesprochen. Aber: Die Mehrheit ist weit von der Realität entfernt – zumindest der im Landtag.

Die Grünen haben dort nur 26 Prozent – 74 Prozent vereinigen CDU, SPD und FDP auf sich. Allesamt Unterstützer von Stuttgart 21. Vergleicht man das mit dem Abstimmungsergebnis habe die Grünen sogar enorm viele Anhänger in der S21-Frage hinzugewonnen.

Man darf gespannt sein, wie die Opposition und die SPD dazu steht, ob sie erkennen, wie eng es um deren politische Unterstützung wird.

Wenn Sie in den kommenden Tage Sätze lesen wie: “Stuttgart 21 wird doch gebaut”, dann wissen Sie, woher der “Redaktionswind” weht. Erste Meldungen dieser Art sind schon verbreitet worden, als seien sie richtig. Richtig ist, dass das Projekt tot ist, wenn die Kosten über 4,5 Milliarden Euro hinaus wachsen.

Link:
Hier können Sie die Einzelergebnisse der Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises abrufen.

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