"));

Mittwoch, 04. September 2013

« »
Hans-Ulrich Sckerl zieht Bilanz nach zwei Jahren grün-roter Regierung

“Ja, ist denn heut schon Halbzeit?”

Weinheim/Rhein-Neckar, 11. Juli 2013. (red/ld) Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal, Ausbau der Straßeninfrastruktur, Energiewende und Schulreform seien auf den Weg gebracht worden – und das, obwohl die schwarz-gelbe Vorgängerregierung viele Probleme hinterlassen habe. “Wir haben viel vor, und wenig Geld, es umzusetzen”, sagte Hans-Ulrich Sckerl zu seiner Halbzeitbilanz am Montag bei der Mitgliederversammlung der Grünen Alternativen Liste (GAL) im Restaurant “Beim Alex” am Rolf-Engelbrecht-Haus. Trotzdem konnte man den Eindruck haben, es bewege sich etwas.

Von Lydia Dartsch

“Kraftakt” oder “Mammutprojekt”: Mit diesen Worten bezeichnete Hans-Ulrich Sckerl, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Landtag, am Montagabend viele der Projekte, die die grün-rote Landesregierung seit ihrer Wahl im Jahr 2011 angestoßen hat.

Aktuell beschäftigen ihn die Aufdeckungen der Ausspähprogramme “Prism” und “Tempora” der US-amerikanischen, britischen und französischen Geheimdienste:

Es soll niemand glauben, dass er nicht betroffen sei.

500 Millionen Telekommunikationsverbindungen würden weltweit jeden Monat systematisch überwacht.

Das macht einen atemlos,

sagte er. Zum Einen würden Bürgerrechte, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausgehöhlt, zum Anderen seien Unternehmen durch Wirtschaftsspionage geschädigt worden.

“Beschwichtigungen der Bundesregierungen sind ein Treppenwitz”

Dagegen müsse man sich wehren, sagte Herr Sckerl. Die Landtagsfraktion sei gerade dabei, einen Berichtsantrag durchzusetzen, der klären soll, wie und in welchem Maße Daten erfasst worden sind. Außerdem soll geklärt werden, welche Klagerechte die Betroffenen dagegen haben.

Dagegen versuche die Bundesregierung, die Affäre herunterzuspielen mit Erklärungen wie “Ist doch nicht so schlimm” oder “Das dient der eigenen Sicherheit”. Das sei ein Treppenwitz. Die Fraktion habe außerdem deutliche Hinweise, dass auch der BND “da kräftig mitmischt”:

Ich bin ziemlich sicher, dass wir in den nächsten Tagen solche Meldungen lesen werden,

sagte er und sprach sich dafür aus, dem Whistleblower Edward Snowden Asyl in Deutschland zu gewähren. Dessen Leben sei in der Transitzone des Moskauer Flughafens bedroht. In Deutschland solle ihm ein faires Verfahren ermöglicht werden. Dem werde Snowden sich nicht entziehen können.

EnBW-Untersuchungsausschuss

Danach zählt Hans-Ulrich Sckerl auf, was die grün-rote Landesregierung in den vergangenen zwei Jahren alles geleistet habe. Man gewinnt den Eindruck, die Hauptaufgabe bestehe darin, hinter der schwarz-gelben Vorgängerregierung aufzuräumen: Der Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal, den der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus unter mehrfacher Verletzung von Landesrecht und unter Umgehung des Landtages durchgesetzt hatte, sorge für viel Arbeit: 16.000 Seiten Aktenstudium sowie 18 öffentliche Beweisaufnahmen, 46 Zeugenvernehmungen, die jeweils bis zu 16 Stunden dauern.

Dass das solche Ausmaße annehmen wird, hatten wir bei Regierungsantritt nicht erwartet,

sagte Herr Sckerl. Gleichzeitig klage die Regierung gegen den französischen Stromkonzern Edf auf Schadenersatz. Es gehe um 840 Millionen Euro, die bei dem Geschäft zuviel bezahlt worden seien.

Viel vor – wenig Geld

Die Grünen hätten zum ersten Mal einen Kassensturz gemacht: 135 Milliarden Euro Schulden habe Grün-Rot von der Vorgängerregierung übernommen. Dazu kämen jedes Jahr Ausgaben von 1,9 Milliarden Euro für Zinsen sowie ein Investitionsstau auf den Straßen in Höhe von drei Milliarden Euro und steigende Pensionslasten. Ab 2020 sei das Land verpflichtet, keine neuen Schulden mehr zu machen und Schulden abzubauen. Das wolle man schaffen.

Trotz der schwierigen Finanzsituation seien die Landesmittel für die Kleinkindbetreuung um 300 Millionen Euro aufgestockt worden. Die Mittel für die Unterhaltung von Landesstraßen seien verdoppelt worden und man habe die zweite Ausbaustufe der S-Bahn Rhein-Neckar in Angriff genommen. Auch für den Hochwasserschutz habe man “enorm viel” getan und ramponierte Polder repariert und Retentionsflächen angelegt:

Da hat Schwarz-Gelb nichts gemacht.

Reformen seien auf den Weg gebracht worden. Die stießen zwar nicht überall auf Gegenliebe, sagte Hans-Ulrich Sckerl, seien aber notwendig, wie die Polizei- oder die Schulreform. Erstere sei notwendig, um die Verwaltung der Polizei zu verschlanken und gleichzeitig eine bürgernahe Polizei zu ermöglichen. Unter der Vorgängerregierung seien 1.000 Stellen abgebaut worden. Die wieder zu schaffen, hätte 80 Millionen Euro gekostet. Geld, das nicht da sei.

Nicht alle Reformen stoßen auf Gegenliebe

Die Schulreform mit der Gemeinschaftsschule stoße zwar auch nicht überall auf Gegenliebe. Angesichts sinkender Schülerzahlen sei sie aber für viele Gemeinden in Baden-Württemberg die letzte Möglichkeit, um eine weiterführende Schule zu behalten:

Viele Schüler müssen sonst bis zu 60 Kilometer weit fahren, um zur Schule zu kommen – vor allem auf der schwäbischen Alb ist die Gemeinschaftsschule ein Erfolgsmodell.

Durch die sinkenden Schülerzahlen würden in Zukunft auch 11.000 Lehrerstellen abgebaut werden. Die bestünden vor allem in Verwaltungsstellen, und hätten kaum Kontakt zu Schülern:

Statistisch gesehen gibt es pro Lehrer 14 Schüler. Trotzdem haben wir übergroße Klassen. Es gehen viel zu viele Deputate für Verwaltungstätigkeiten drauf.

Eine “Politik des Gehörtwerdens” sei auch gelungen: Man habe im Landesrecht die Möglichkeit einer Volksinitiative eingeführt und die Durchführung von Bürgerentscheiden und Bürgerbegehren bei Bauentscheidungen erleichtert. Man wolle das noch weiter führen, indem man Bürgerbegehren und -entscheide bei jeder Stufe des Prozesses möglich mache. Dafür bedürfe es einer Änderung der Landesverfassung. Ebenso wolle die Landesregierung, dass sich die Bürgerschaft bei Planvorhaben frühzeitig beteiligt werde.

Türkischunterricht ab Schuljahr 2014/15?

Als Erfolg verbuchte er auch die Einführung der Landesverfassungsbeschwerde und die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Kommunalwahlen. Bei der Oberbürgermeisterwahl in Singen habe die Wahlbeteiligung der unter 18-Jährigen 38 Prozent betragen:

Da kann man nicht meckern. Wir hatten weniger erwartet.

Für die Zukunft sei die Regierung dabei, Bleiberechtsregelungen für Flüchtlinge anzupassen und ein Landesanerkennungsgesetz für ausländische Berufsabschlüsse zu verabschieden. Auch wolle man mehr Migranten in Verwaltungsstellen bringen. Vor allem bei der Polizei sei das notwendig.

Die Einführung von Türkisch als dritte Fremdsprache an den Schulen bewegte Stadträtin Elisabeth Kramer im Anschluss an den Vortrag. Das werde spät kommen, sagte Herr Sckerl:

Wir wollten es eigentlich schon im kommenden Schuljahr einführen.

Doch das Konsularmodell, das auf einem Abkommen zwischen Deutschland und der Türkei beruht, stehe dem entgegen. Danach sollen Türkischlehrer nicht vom Land eingestellt, sondern vom türkischen Staat entsendet werden – wie bei den Imamen. Die Regierung versuche, den Türkischunterricht im darauf folgenden Schuljahr einzuführen. Als Ziel hatte die grün-rote Regierung das Schuljahr 2015/16 vorgegeben.

Moderation von Kommentaren

Die Moderation liegt bei der Redaktion. Für uns steht fest: Kritische Diskussionen sind erwünscht, persönliche Beleidigungen hingegen werden entfernt. Wie wir moderieren steht in der Netiquette.